Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 38. Band, (Jahrgang 1861)

Die Karaiten und Menuouiten in Galizien. 
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secten hat ihre ursprüngliche Reinheit so sorgsam zu bewahren 
gewusst, als jene der Karäer oder Karaiten, welche auch Karaimen, 
Karaimiten benannt werden. 
Die Karaiten, Kinder der Schrift, wie sie sich selbst nennen, 
unterscheiden sich von den übrigen Juden hauptsächlich dadurch, 
dass sie das geschriebene Wort des göttlichen Gesetzgebers allein 
als massgebend anerkennen und daher den Talmud und dessen ver 
wickelte Auslegungen verwerfen. Sie waren es nicht selbst, welche 
sich den Namen Karaiten zuerst gaben, diesen legten ihnen anfänglich die 
Pharisäer bei, deren Jünger die Rabbiner ihn noch jetzt als Schimpf 
wort gebrauchen. Der Name kommt von carn her, welches auf 
hebräisch Lesen bedeutet und ward ihnen gegeben, weil sie mit 
grossem Eifer dem Lesen der h. Schriften obliegen. Nach einer 
traditionellen Sage sollen die Karaiten aus der türkischen Provinz 
Diarbekr (dem ehemaligen Mesopotamien), welche auch den Namen 
Karahamit oder Karamit führt, herstammen und von ihren früheren 
Wohnsitzen den Namen erhalten haben. 
Die Karaiten führen nach Stollberg ihren Ursprung hinauf bis 
auf die Zeiten Esdra’s, andere leiten sie von den 10 Stämmen her, 
welche Salmanassar hinwegführte. Am wahrscheinlichsten lässt sich 
jedoch nach der Meinung eines gelehrten Karaiten der Ursprung 
derselben auf eine berühmte Spaltung zwischen den Ministern in 
Israel, Hillel und Schamai. zurückführen, welche bei der Entschei 
dung einiger religiösen Fragen hervorgerufen wurde, die Hillel nach 
der Überlieferung, Schamai aber nach den Worten des Gesetzes 
gelöset wissen wollte 1 ). Nach der Meinung anderer Geschichtsfor 
scher soll sich diese Secte erst im S. Jahrhundert n. Uhr. Geburt 
gebildet und ihren Ursprung von Anam, einem jüdischen Gelehrten, 
erhalten haben. Anam nahm sich jedoch blos der Karaiten kräftig 
an, so dass er von vielen als Stifter derselben angesehen wird. 
Wie erwähnt, verehren die Karaiten die heiligen Schriften des 
alten Testaments und lesen dieselben gewöhnlich in ihrer Ursprache, 
daher sie auch ihre Kinder zeitig anhalten, die hebräische Sprache 
zu erlernen. Sie nähern sich dadurch mehr als alle anderen Juden der 
ursprünglichen Reinheit des mosaischen Gesetzes und unterscheiden 
1 ) Geschichte der Religion von Fr. C. Graten Stollberg. Wien, ISIS.
	        
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