Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 1. Band, (Jahrgang 1848)

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„Über das Becken des Kabul." 
Ebenso wie für die Pflanzenkunde jene Gegenden unserer 
Erde besonders wichtig sind, wo die Arten eines Himmelsstriches 
in jene eines andern übergeben, ebenso ist es für die Untersuchun 
gen hinsichtlich der geistigen und geschichtlichen Ausbildung der 
menschlichen Gesellschaft mit jenen Ländertheilen der Fall, wo 
die Grenze einer Gesittung mit der einer andern Volkstümlichkeit 
zusammentrifft. Meistens, ja fast immer, findet dieser Übergang in den 
Gebirgen Statt, und da diese mit wenigen Ausnahmen auch zugleich 
die Scheidelinie der Pflanzenformen sind, so trifft oft das Eine mit 
dem Andern zusammen. Besonders reich an Ergebnissen sind jene 
Vereinigungspuncte der letzteren, wo das Hochgebirge gegen Sü 
den in eine Ebene ausläuft, und die Sonnenstrahlen eben so sehr 
durch die dichteren Luftschichten der Niederung an Wärme zuneh 
men, als durch ihre mehr senkrechte Stellung. Ein solches Land 
ist in Europa das nördliche Italien, wo die nördliche Pflanzenwelt 
mit der südeuropäischen der Halbinsel aneinandergrenzt. Hier ist es 
auch, wo der germanische Stamm sich an den romanischen an- 
scliliesst. Eine ähnliche Stellung, im grösseren Massstabe, findet 
in Asien Statt, wo die höchste Erhebung der Erde sich in eine 
Ebene verflacht, an welche sich eine mächtige Halbinsel anschliesst, 
Händlich in dem nordwestlichen Indien, wo indische Gesittung zu- 
sammentrifft mit jener der rauhen Gebirgsvölker Mittel-Asiens: da, 
wo die jedes Leben schonende Lehre der vielglaubenden Hindu 
übergeht in die Gewohnheit an Raub und Mord der im Deismus nur 
an das materielle Leben angewiesenen wilden Stämme. Dies Land 
ist das Becken des Kabul, der westlichen Quelle des Indus, ein 
Land, welches vor mehr als zwei Jahrtausenden Wichtigkeit durch 
Alexander des Grossen Zug erhielt, in welchem vor wenigen Jah 
ren das grässliche Schauspiel des Hinschlaehtens einer grossen 
Heeresabtheilung gegeben wurde, und welches bis in die neueste 
Zeit ein tief verschlossenes Geheimniss war, von den bösen Geistern 
der Raubgier und der Glaubenswuth bewacht. 
Diese Gegend, die westlichste Grenze des Hinduismus, aus 
welcher er durch die Mohammedaner fast gänzlich verdrängt wurde, 
Sitzl). d. phil.-liist. CI. I. Bd. G
	        
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