Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 1. Band, (Jahrgang 1848)

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tschudischen Sp rachstamme gehören. Dies ist um so mehr zu 
tadeln, als ein ähnliches Werk kaum einen andern wissenschaft 
lichen Nutzen gewähren kann, als den einer übersichtlichen Darstel 
lung der genera linguarum. 
d) Bericht des Herrn Dr. Boiler. 
Sprachvergleichende Arbeiten haben neben dem rein linguisti 
schen auch ein allgemeines, geschichtliches Interesse. Denn, da die 
Anschauung mit dem sie ankündenden Stammlaute (der Wurzel), 
die aus derselben entwickelten Begriffe mit der Art ihrer Darstellung 
so wie die Begriffsverhältnisse überhaupt mit ihren Exponenten in 
keinem unmittelbaren Zusammenhänge stehen, sondern letztere sich 
nur als Zeichen verhalten, so setzt ihre Übereinstimmung einen 
gemeinsamen Ausgangspunct voraus, und vermag über Abstammung, 
Wanderungen und Beziehungen der Völker, in Ermangelung anderer 
Geschichtsdenkmäler ein unwiderlegbares Zeugniss zu geben. Ande 
rerseits geht die Deutlichkeit der Anschauung und die Lebendigkeit 
der Einbildungskraft mit dem Reichthume der Wurzeln und ihrer 
Erweiterungsfähigkeit, die Menge und Bestimmtheit der Begriffe mit 
der Zahl und Mannigfaltigkeit der Ableitungen und grammatischen 
Kategorien, die Stärke und der Umfang der Schlusskraft mit der in 
den grammatischen Formen, in der Zusammensetzung und vor Allem 
im Satzbaue sich ankündenden Einheit, die Höhe der geistigen 
Bildung überhaupt mit der Leichtigkeit, abstracte und übersinnliche 
Ideen auszudrücken, Hand in Hand. Indem also ein Volk seine ge- 
sammte geistige Errungenschaft in der Sprache niederlegt und 
ausprägt, muss diese zum Spiegel des geistigen Lebens werden, 
und eine wohlgewählte Zusammenstellung von Bruchstücken aus den 
verschiedenen Sprachen die Entwickelungsgeschichte des Menschen 
wie in einem Panorama an uns vorüberführen. 
Um aber diesen doppelten geschichtlichen Zweck zu erreichen, 
müssen solche Zusammenstellungen einen, den Völkern auf ihren 
verschiedenen Bildungsstufen gemeinsamen Kreis von Vorstellungen 
umfassen, Originalarbeiten oder genau im Geiste der Sprache 
gehaltene Übersetzungen enthalten, und zugleich einen solchen 
Umfang haben, dass sie den Gesammtorganismus der Sprache zur 
Anschauung bringen. Leider fehlen für eine, von diesen Gesichts-
	        
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