Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 166. Band, (Jahrgang 1910)

Die Wurzeln der Sage vom heiligen Gral. 
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gefolgt. So hält Eduard Wechssler in seinem trefflichen 
Buche über ,die Sage vom heiligen Gral“ durchaus daran fest, 
daß in der Graldichtung eine Verschmelzung heimischer Sagen 
und Märchen mit der christlichen Legende stattgefunden habe. 1 
Doch im allgemeinen war Birch-Hirselifeld siegreich. Wie 
seine Ansicht allmählich zur Herrschaft gelangt, läßt sich bei 
spielsweise an R. Heinzei beobachten, der in einem 1872 er 
schienenen Aufsatz ,Ein französischer Roman des 13. Jahrh.‘ 
durchaus einen Zusammenhang zwischen den Zaubergefäßen ge 
wisser keltischer Sagen und dem Gral für wahrscheinlich hält 
und zu dem meiner Meinung nach ganz richtigen Schluß kommt: 
,Was den Gral betrifft, ist offenbar die Schüssel in der Legende 
des Joseph von Arimathia an die Stelle des heidnischen Symbols 
getreten. 12 Dagegen erklärt er p. 97 der früher erwähnten, 
20 Jahre später (1892) erschienenen umfassenden Abhandlung, 
daß die meisten keltischen Zauberkessel und Gefäße mit der 
Gralschüssel keine Ähnlichkeit hätten. Einige derselben werden 
allerdings ausdrücklich davon ausgenommen, da sie die wunder 
bare, speisegebende Kraft besitzen, so das Becken von Diwrnah, 
das niemand ungesättigt entläßt, der Korb Gwyddneus, die 
Pfanne mit den Tellern von Rhegynydd Ysgolhaig; doch wird 
diese Spur nicht weiter verfolgt und scheint daher von dem 
Autor nicht für beachtenswert gehalten zu werden. Nicht 
wundernehmen kann es uns, wenn Gottfried Baist den Zu 
sammenhang des Grals mit den keltischen Zaubergefäßen eben 
falls leugnet und bemerkt: ,Es fehlt jeder besondere bestimmte 
Zug, der uns gestatten würde, unsere Schüssel mit irgend 
einem der Wunderkessel zu identifizieren, die in der keltischen 
Mythologie zu finden sind, wie in jeder andern. 13 — Daß dies 
keineswegs richtig ist, hoffe ich in der folgenden Untersuchung 
zeigen zu können. Es liegt nicht bloß ein Zug vor, sondern 
eine ganze Reihe sehr bestimmter, besonderer Züge, welche — 
wie ich glaube — einen Zusammenhang der Sage vom heiligen 
Oral mit alten arischen (d. i. indogermanischen) Mythen und 
1 Vgl. Eduard Wechssler, Die Sage vom heiligen Gral und ihre Ent 
wicklung bis auf Wagners Parsifal, Halle a. S., Max Niemeyer, 1898. 
2 Vgl. p. 86 in R. Heinzei, Kleine Schriften, herausgegeben von 
M. H. Jellinek und C. v. Kraus, Heidelberg 1907. 
3 Vgl. G. Baist a. a. 0., p. 17. 18 (Sep.-Abdruck). 
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