III. Abhandlung: D. FI. Müller. Bemitica II.
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in.
Semitica.
Sprach- und rechtsvergleichende Studien.
Von
D. H. Müller,
wirkl. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
II. Heft.
(Vorgelegt in der Sitzung am 25. April 1906.)
Vorwort.
Das vorliegende zweite Heft der ,Semitica' enthält fast
ausschließlich rechtsvergleichende Studien, die sich mit
dem Komplex von Fragen beschäftigen, welche von dem neu
entdeckten Hammurabigesetz angeregt worden sind. Die Reihen
folge der Untersuchungen ist aber hier eine umgekehrte. Be
gonnen wird mit dem armenischen Rechtsbuch, welches
in der vortrefflichen Ausgabe J. Karsts vorliegt und dessen
Herausgeber auch ein reiches Material zur Erklärung desselben
zusammengetragen hat. Ganz besonders wird die Rezeption
des mosaischen Rechtes ins Auge gefaßt, wodurch das arme
nische Recht sich als einen der letzten Ausläufer jenes Arche
typus erweist, aus welchem bestimmte Teile des Hammurabi-
kodex, der mosaischen Gesetzgebung und der XII Tafeln fließen.
Das armenische Recht hat das mosaische Gesetz früh rezipiert
und hängt ziemlich eng mit demselben zusammen.
Die Ursachen, welche die Rezeption bewirkt und zu einer
dauernden gestaltet haben, werden in der Schrift selbst ange
geben werden. Es scheint mir aber, daß der Boden dafür be
sonders geeignet war, weil das von den Armeniern bewohnte
Gebiet in alter Zeit unter babylonisch-assyrischem Einflüsse
gestanden hat, wofür die Van-Inschriften — wenn sie auch von
einer nicht-armenischen Volksschichte herrühren — sicheres
Sitzungslier. d. phil.-hist. Kl. CL1V. Bd. 3. AWi.
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