16
I. Abhandlung: Schuchardt.
wolil die Gestalt *sabius, * sabium bekommen? Es wird ja
doch der Verbalstamm nicht rein herausgeschnitten und die
ebenso isolirte Endung darangesetzt, sondern die Ableitung
ruht auf den gesammten Verbalformen und ist eine analogische.
Wenn nun neben *sabit u. s. w. *sapjat u. s. w. steht, so wird
ein Adjektiv dazu entweder *sab-us oder *sapj-us lauten,
wie wir zu *volit, *voljat: *vol-um und *volj-um (altfranz.
vuel und vueil) haben. Der Streit ob eine postverbale oder
eine deverbale Bildung vorliege (s. A. Thomas Rom. XXV, 389.
Meyer-Lübke Ztschr. XXI, 309), erscheint mir liier wenigstens
als gegenstandslos; *sapj-us ist ja zugleich *sap-jus. Ja wenn
es im früheren Romanisch ein *sabius gegeben hätte, so würde
es sich wohl bald an *sapjat, *sapjens zu *sapjus angeglichen
haben. Man beachte prov. forschapche neben nicht volkstüm
lichem forcapi (Thomas a. a. 0. S. 390). Das Portugiesische
nimmt eine besondere Stellung ein; da sapiat hier zu saiba ge
worden ist, so ist gegen sabio, saibo auch aus * sapius, *sapium
vom lautgeschichtlichen Standpunkt aus Nichts einzuwenden.
b) c) begriffliche und lautliche Schwierigkeiten wür
den der Herleitung der bewussten romanischen Wörter aus
einem solchen spätlateinischen oder frühromanischen *sabius
nicht im Wege stehen.
II. Positiv: ] lat. sapidus.
a) in lautlicher Hinsicht. Von den zu Anfang stehen
den romanischen Formen sind die einen, so span. port. sabio,
ven. savio die lautregelmässigen Fortsetzungen von sapidus, die
andern nicht. Den verschiedenen Lautregeln zufolge sollte sa
pidus werden zu neap. sapeto*, lomb. saved* u. s. w., prov. sähe,
franz. sade. Die beiden letzten Wortformen bestehen allerdings,
aber in der Bedeutung ,schmackhaft' oder solchen Bedeutungen
die daraus hervorgegangen sind (,angenehm', ,hold‘, ,anmuthig'
u. s. w.); sade ist in der Schriftsprache veraltet (abgesehen von
maussade), lebt aber noch in den Mundarten fort (bürg, sede).
Das gleichbedeutende bearn. sabre ist vielleicht aus *sabde (*sa-
pitus ergab hier sapte, ,unangenehmer, fauliger Geschmack') ohne
Weiteres entstanden (vgl. bearn. limpre} limpidus-, im südfranz.
ispre} hispidus hat sich aspre eingemischt), eher wohl mit An
lehnung an südfranz. sabrous (kat. sabros, span, vulg.-port. sabroso).