Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 134. Band, (Jahrgang 1896)

TJeber den Rhythmus im Chinesischen. 
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d. i. durch die gedanklichen Beziehungen erzeugt wird. Seine 
Gebilde streifen an die rhythmisch metrischen Formen unserer 
poetischen Erzeugnisse und machen sich der Empfindung mit 
unwiderstehlicher Gewalt als solch strengrhythmische Formen 
der Prosa fühlbar. 
Die dritte Erscheinungsform des Rhythmus offenbart sich 
in den rhythmisch-metrischen Formen der chinesischen Poesie. 
Hier ist die Form, die schöne Form, das zunächst Festgelegte, 
an die der Dichter mit Nothwendigkeit gebunden ist. Nicht 
lediglich die Beziehungen der Gedanken sind das den Rhyth 
mus Bestimmende, sondern die schöne Form im harmonischen 
Verhältniss ist das oberste Gesetz. Daher stehen Satzbau und 
Rhythmus beim Verse nicht in solch inniger Correspondenz wie 
bei dem strengen Rhythmus in der Prosa, nur die logischen 
beziehungsweise pathetischen Accente müssen mit den rhyth 
mischen Accenten des Verses zusammenfallen. Rhythmisch corre- 
spondierende Verse brauchen keinen correspondierenden Satzbau 
aufzuweisen, wie dies beim strengen Rhythmus der Prosa der 
Fall ist. 
Die Discussion hat aber ferner auch gezeigt, dass die 
Aufstellung des Begriffes Parallelismus als einer innigen Ver 
bindung von Rhythmus und Antithese selbst im antithetischen 
Verhältniss zu dem steht, was die Chinesen parallele Phrasen 
nennen, weil die für diese Auffassung gegebenen Regeln von 
einer grösseren Anzahl derartiger Gebilde Lügen gestraft werden, 
überdies auch mit dem chinesischen Begriff für diese Sätzepaare 
im logischen Widerspruch stehen. 
Das eigentliche Gesetz, welches im richtigen Begriffe des 
Sätzepaares gelegen und von den Chinesen thatsächlich beob 
achtet wird, wurde hiebei ganz bei Seite gelassen. 
Wie einfach führt G. Schlegel (1. c.) dieses Gesetz an: 
,In zwei parallelen nebeneinander oder auch nacheinander 
gesetzten Phrasen, verlangt das chinesische Stilgesetz, dass 
sämmtliche Redetlieile wechselweise miteinander correspondieren: 
Subject mit Subject, Verbum mit Verbum, Substantiv mit Sub 
stantiv, Adjectiv mit Adjectiv, Adverb mit Adverb, Ortsname 
mit Ortsname, Genetivzeichen mit Genetivzeichen, Object mit 
Object u. s. w.‘ 
Sitzungsber. d. phil.-kist. CI. CXXXIV. Bd. 3. Abh. 
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