III. Abhandlung: v. Krem er. Studien zur vergleichenden Culturgeschichte. 1
III.
Studien zur vergleichenden Culturgeschichte,
vorzüglich nach arabischen Quellen
von
Alfred Freiherrn v. Kremer,
wirkl. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
I. und II.
I.
Brot und Salz.
Wem wäre nicht die Volkssitte bekannt, Brotstückchen,
welche auf der Strasse liegen, aufzuheben, sorgfältig bei Seite
zu legen auf ein Mauergesimse, in eine Fensternische oder
auf einen Stein, damit nicht ein Vorübergehender sie in den
Staub träte.
Man kann diesen alten, ehrwürdigen Brauch überall in
Oesterreich, besonders auf dem Lande und in den Gebirgs
gegenden beobachten; aber auch in Wien selbst und in der
Umgebung hat er sich erhalten und widerstand bis jetzt dem
alte Sitten und volksthümliche Gewohnheiten so gründlich ver
wischenden Einflüsse der neuen Zeit.
In alten, bürgerlichen Häusern ist es noch immer strenge
Regel, dass die Brotkrumen, welche während des Mahles liegen
blieben oder unter den Tisch fielen, nicht weggeworfen, sondern
verbrannt werden. Dieselbe Gewohnheit herrscht in Böhmen:
auch da dürfen die Brotreste nicht zugleich mit dem Kehricht
entfernt werden, sondern sie gehören ins Feuer, sie sollen
verbrannt werden. Auch ist es strenge untersagt auf Brosamen
zu treten. 1
Grohmann: Aberglauben aus Böhmen. Prag 1864. S. 41, 103; Tylor: Die
Anfiinge der Cultur. Deutsche Ausgabe. Leipzig 1873. II, 286.
Sitzungsber. d. phil -hist. CI. CXX. Bd. 3. Abh. 1