Hagen. Berner Palimpsestblätter aus dem 5*—G. Jahrhundert.
19
Berner Palimpsestblätter aus dem 5.—-6. Jahr
hundert zur Passio Sancti Sebastiani.
Von
Dr. Hermann Hagen,
Professor der classisclien Philologie in Born.
Die in vorliegender Arbeit zum ersten Male untersuchte
in schöner Unciale des 5.—6. Jahrhunderts geschriebene
Palimpsestpartie des Cod. Bern. 611, worüber der Katalog der
Berner Handschriften p. 482, nr. 26 und 27 zu vergleichen,
erstreckt sich über die jetzt von einer Hand s. VIII—IX mit
dem Physiologus und allerlei Excerpta canonica über-
schriebenen Blätter 116 —145, meistens zusammenhängende
Blätterpaare darstellend, die zu Fascikeln verschiedener Aus
dehnung vereinigt sind, wie aus folgendem Ueberblick ersicht
lich ist:
F. 116 einzelstebendes Blatt: das dazugehörige zweite ist
zwischen f. 113 und 114 ausgeschnitten; f. 117—122 Ternio;
f. 123 einzelstehendes Blatt; f. 124—131 Quaterhio; f. 132 bis
139 Quaternio; f. 140 einzelstehendes Blatt; f. 141 desgleichen;
f. 142 145 Binio. Bei den einzelstehenden Blättern sieht man
mit Ausnahme von f. 140 deutlich, dass die dazugehörigen Hälf
ten erst nach erfolgter Zusammensetzung des neuen Buches
herausgösbhnitten worden sind, während die Schmalheit von
f. 140 zeigt, dass dieses Blatt bereits dem Verfertiger des uns
jetzt vorliegenden Codex in halbirtcm Zustande vorlag.
Hiervon sind in Abzug zu bringen: 1, f. 143 und 144,
welches Reste eines anderen, etwas jüngeren Palimpsestes sind,
dessen Urschrift der jetzigen parallel läuft und einen ganz an
deren Stoff, nämlich ein Stück Itala darbietet; 1 2, das Einzel-
1 Diese Partie habe ich inzwischen in Hilgenfeld’s Zeitschrift für wissen
schaftliche Theologie, Jahrgang 27 (1884), p. 470—484 mitgetheilt. Die
Schrift ist hier ebenfalls Uncial, aber etwas jünger (s. VI).