Türck. Beobacht, über das Leitungsvermögen d. mensclil Rückenmarkes. 329
Beobachtungen über das Leitungsvermögen des menschlichen
Rückenmarkes.
Von Med. Dr. Ludwig Türck.
(Mit I Tafel.)
Die Experimente, welche am lebenden Thiere angestellt wurden,
um die Leitungsvorgänge im Rüekenmarke zu ermitteln, können
beim Menschen zum Theil durch die klinische Beobachtung solcher
Fälle ersetzt werden, in welchen Segmente des Rückenmarkes patho
logisch-anatomische Veränderungen eingegangen sind.
Hierbei tritt an die Stelle der partiellen künstlichen Trennungen
am Thiere die Erkrankung einzelner Stellen des menschlichen
Rückenmarkes; in beiden Fällen hat man zu untersuchen, wie sich
Sensibilität und Motilität in den unterhalb gelegenen Theilen ver
halten.
Wenn aber ein Krankheitsfall in der angedeuteten Richtung
brauchbar sein soll, so sind meiner Meinung nach hierzu folgende
Bedingungen erforderlich:
1. Muss in einem durch den Krankheitsherd geführten Quer
schnitt der absolute Mangel der leitenden Elemente, d. i. der Nerven
röhren und in der grauen Substanz, auf welche sich jedoch meine
Beobachtungen nicht erstrecken, auch der Nervenzellen constatirt
sein; denn nur dadurch weiss man, dass das erkrankte Rücken
markssegment leitungsunfähig geworden ist, und lässt sich auf das
Leitungsvermögen der unversehrt gebliebenen Tbeile ein Schluss
ziehen J ). Es kommen häufig alte intensive partielle Erkrankungen
*) Fälle, in denen ich die Nervenröhren nur bis zu einem Minimum vermindert fand,
wurden daher unter die nachfolgenden Beobachtungen nicht aufgenommen. Ganz
ungenügend ist der von Dr. Marcel in Nr. 52 des Jahrganges 1854 der Gazette
medicale de Paris mitgetheilte Fall einer sogenannten weissen Rückenmarkserwei-
chung für die daraus auf Leitung der Sensibilität durch die Hinterstränge gezogenen
Schlüsse , indem hier die mikroskopische Untersuchung gänzlich fehlt, und es
nicht unwahrscheinlich ist, dass neben einem gewiss vorhanden gewesenen,
jedoch wohl nur bei genauerer Untersuchung zu ermitteln gewesenen Rückenmarks
leiden die sogenannte weisse Rückenmarkserweichung, w i e dies so oft geschieht,
künstlich bei der Herausnahme des Rückenmarkes erzeugt wurde.