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Riege r.
Heranziehen dieses Falles beabsichtige ich nur der Vorstellung
entgegenzutreten, als wäre die Vermuthung, dass im Mittel-
alter die Kanzlei derartiger Schliche sich hätte schuldig
machen können, unstatthaft. Unsere Urkunde wurde ebenso
ohne Vor wissen des Königs erweitert, wie jener Belehnungs
brief ohne Vorwissen Sigmunds ausgestellt wurde.
Eine weitere Frage ist die, welchen Gebrauch die Rhein-
auer Mönche von der Urkunde gemacht haben. Von Otto I.
und II., 1 welche zwei congruent lautende Privilegien dem
selben ausgestellt haben, worin die früheren Rechte und Frei
heiten^ ,sicut cartarum textus eidem loco conscriptarum enun-
tiat' bestätigt werden, wird auf diese Urkunde noch nicht
Bezug genommen. Das Recht der freien Abtswahl, das ihnen
zugestanden wird, lautet in diesen beiden Urkunden: Ut vide-
licet monachi secundum regul and sancti Benedicti ab-
batem inter se eligendi habeant licentiam. Beide Urkunden
wurden dem Kloster Rheinau durch Bischof Konrad von Con-
stanz erwirkt. Dies erklärt wohl auch den Umstand, dass die
Urkunde, deren Entstehung wir unter Konrads Administration
des Klosters ansetzten, Otto I. und II. nicht vorgelegt wurde.
Erst unter Heinrich III. wird in einer Urkunde vom
11. Juli 1049 2 unserer Urkunde zugleich mit dem Original
diplome vom 12. April 858 Rechnung getragen. Wie aber
diese beiden Urkunden in dem Diplome Heinrichs III. auf
genommen sind, spricht dafür, dass nebst der Vorlage dieser
beiden Urkunden noch irgend ein mündlicher oder schriftlicher
Einfluss von Seiten Rheinau’s auf den Kanzleibeamten aus
geübt wurde. Für das erstere spricht die Arenga in unserem
Diplome, welche ich der Arenga der Urkunde von 870 (in
beiden Fassungen congruent) gegenüberstelle.
der vorgenannte lelienbrief on vnser wissen vnd willen gegeben, vnd
vsgerieht ist, das sprechen wir bey vnsern kunigl. trewen vnd mit ur-
kund diss brief versigelt etc. Geben zu Ofen nach Cr. etc. XXVI An
vnserer Heben frawen abend Assumptionis vnser R. etc.
1 Stumpf, Reg. ölt und 593. Zapf ibid. 457 und 459; beide im Original im
Staatsarchive zu Zürich.
- Hergott Gen. Habsb. 11. 140. Original in Zürich.