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Kenner.
Stromgegenden hinausgebracht werden musste, führte von selbst
darauf, sich ihrer wenn auch nur mittelst Saumpfaden zu be
dienen. In römischer Zeit wurden Strassen über sie gebaut,
von denen zwei, jene über den Pirn und jene über den Rad-
stätter Tauern den Character von Reichsstrassen erhielten. Ja,
es scheinen selbst die Germanen diese Uebergänge benützt zu
haben. Einzelne Raubschaaren müssen am Beginn des Marko
mannenkrieges längs der Türnitz, Ens, Steier, Traun und
Salzach ins Binnenland vorgedrungen sein. Wir können dies aus
dem Umstande schliessen, dass man bei der Restauration der
Festungen nach dem Kriege hinter den Ufercastellen eine zweite
weniger dichte Reihe von Werken anlegte, welche den ersteren
zum Rückhalte dienten und zugleich je einen der Gebirgs-
iibergänge schützten. Wir kennen von ihnen dem Namen nach
allerdings nur drei: Locus Yeneris felicis, nahe bei Amstetten
am Zusammenflüsse der Ips und Uri, zum Schutze des Ips-
thales, ferner Ovilaba (Wels) zum Schutze des Traunthaies
und Iuvavum (Salzburg) zum Schutze des Salzachthales. Allein
mannigfache Anhalte, Ortsnamen, Funde und Sagen, sowie
treffende Analogien lassen darauf schliessen, dass auch in St.
Pölten für das Traisenthal, zu Purgstall für das Erlaf-, zu
Steier für das Ensthal solche Reserveposten bestanden haben,
wenn sie auch nicht alle von derselben Grösse und Bedeutung
und nicht immer mit der entsprechenden Truppenzahl besetzt
waren.
Während von den genannten Gebirgsübergängen die Mehr
zahl nur dem localen Verkehre zwischen beiden Theilen der
Provinz diente, hatten jene beiden, welche unter den Römern
mit Reichsstrassen bestellt waren, auch für den internationalen
Verkehr eine grössere Bedeutung. Von Ovilaba und Iuvavum
ausgehend gewinnen beide Strassen zunächst das Ensthal, über
steigen die Tauernkette, erstere den Rottenmanner, letztere den
Radstätter Tauern und treffen in Virunum zusammen, um dann
vereinigt ins Küstenland nach Aquileja hinauszuführen. Sie
bilden also zwei Stränge eines und desselben Verkehrsweges,
der zugleich der wichtigste im norischen Gebiete war; an seinen
Endpuncten fand der Waarcnzug natürliche Wasserwege, in
Iuvavum den von Salzach und Inn gebildeten, in Ovilaba den
der Traun, beide führten an die Donau, an deren linkem Ufer