Ueber Kaufs mathematisches Vorurthoil und dessen Folgen.
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flüssig. Die transcendentale Aesthetik ist die Basis der Kritik.
Und da der obige Bew.eis ohne die Annahme, die mathema
tischen Urtheile seien synthetisch, unmöglich wäre, so erhellt
hier von neuem die Tragweite von Kant’s ,mathematischem
Vorurtheik.
Bezüglich desselben verweisen wir auf das Vorhergegangene.
Klar ist, dass dieses ,Vorurtheil‘ das Resultat der Kritik schon
vorwegnimmt; denn, sind die mathematischen Urtheile synthe
tisch und apriorisch zugleich, so setzen sie reine Anschauun
gen voraus. Sie existiren selbst nur, weil es ein a priori
giebt; darum lässt sich aus ihrem Dasein das des letzteren
erschliessen. Wären sie analytisch, so könnten sie immerhin
zugleich apriorisch sein; die reine Anschauung zur Vermittlung
zwischen Subject und Prädicat wäre nicht weiter nöthig.
Es wird wohl nicht zu viel gesagt sein, wenn man be
hauptet, dass der, die synthetische Natur der mathematischen
Urtheile einmal zugegeben, unwidersprechliche Erfolg der trans-
cendentalen Deduction der reinen Anschauungen Kant’s Ver
trauen in diese ,seine' Beweisart wesentlich befestigt habe.
Leicht konnte, wie Fischer’s Beispiel zeigt, darüber übersehen
werden, dass der Erfolg in diesem Fall einem Zusammenfluss
günstiger Besonderheiten, keineswegs der Methode im Allge
meinen zuzuschreiben sei. Die mathematischen Urtheile, gleich
viel ob synthetisch oder analytisch, werden von niemandem
bezweifelt, von jedermann als apriorisch anerkannt. Wenn
sie das Dasein apriorischer Elemente der Sinnlichkeit zu ver
bürgen unternehmen, so schlüpft man leicht darüber hinweg,
dass sie dies nicht als mathematische, in ihrer jedermann
geläufigen, sondern eben nur in ihrer synthetischen (erst
von Kant ihnen verliehenen) Eigenschaft vermögen. Mit dem
Credit, welchen ihre mathematische Natur ihnen verleiht, statt
mit demjenigen, welchen nur Kant’s synthetische Neuerung ihnen
gewähren dürfte, decken sie die fragliche Annahme reiner
Anschauungen der Sinnlichkeit. Da Mathematik einmal mög
lich sein musste, ging man ohne sonderliches Aufmerken dar
über hinaus, dass sie durch Kant’s viel weiter als Hume's aus
greifende Skepsis dies von nun an nur mehr unter Voraussetzung
reiner Anschauungen sein durfte, und liess sich ihre synthe
tische Natur stillschweigend gefallen. Die Sache derselben