Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 31. Band, (Jahrgang 1859)

Beiträge zur spanischen Volkspoesie etc. 
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Nun erkannte der Ruchlose wohl, dass dies eine Züchtigung 
des Himmels sei für seine Härte und wegen jenes grausamen: „Wan 
dere, wandere fort,“ das er dem Dulder höhnisch zugerufen, als 
er bei ihm ausruhen wollte; und tief in der Seele reute ihn, es 
gethan zu haben, und er beweinte bitterlich seine Schuld und 
begann zu verzweifeln. 
So wanderte er fort bis zum Jahre, wo an einem Charfreitag, 
in der dritten Nachmittagsstunde, am äussersten Horizonte, hoch 
in den Lüften über den Wolken ein Calvarienberg mit drei Kreuzen 
ihm erschien. Am Fusse des höchsten das in der Mitte war, stand 
eine Frau die sehr schön war, aber auch sehr traurig und doch 
auch sehr sanftmüthig. Diese Frau wandte ihr bleiches, thränen- 
volles Antlitz gegen ihn und rief ihm zu: „Juan, hoffe auf Gott 
(espera en Dios)!“ 
Da fühlte er grossen Trost; setzte aber seine Wanderung fort, 
und wandert fort ohne je zu rasten, seit achtzehn Jahrhunderten. 
Und wenn er sich so verlassen sieht und ungekannt von den Gene 
rationen die er entstehen und vergehen sah, seine Freunde todt, 
seinen Stamm ausgestorben, sein Vaterland, einst das des Gottes 
Israel’s, in der Gewalt der Mauren (moros), sein Volk verflucht, 
zerstreut, verachtet und gemieden, und trotzdem reuelos und 
ungläubig geblieben, mit dem Kainszeichen im Angesicht; — da 
ergreift ihn die Angst und sein Herz wird muthlos. 
Dann aber kommt wieder die heilige Zeit und mit ihr der 
geheiligte Freitag (el viernos Santo, Charfreitag), und in der 
dritten Nachmittagsstunde erscheint ihm wieder der Calvarienberg 
am äussersten Horizonte, und die Frau die mit ihrer süssen Stimme 
ihm zuruft: „Juan, hoffe auf Gott!“ Da fasst er wieder Hoffnung 
und mit ihr den Muth, seinen Fluch bis an’s Ende zu tragen, und 
er wandert wieder fort und fort ohne Rast; und desshalb nennt man 
ihn Juan Espera-en-Dios und den „Ewigen Juden“ (Judio errante). 
b) Märchen. 
Wir haben schon unter vorstehenden Legenden ein paar gefun 
den, die auf Verwandtes in deutschen Volksmärchen hinwiesen und 
zu dem Schlüsse berechtigten, dass die allgemein europäischen
	        
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