Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 24. Band, (Jahrgang 1857)

Beiträge zur juristischen Literargeschichte des Mittelalters. 
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Das aber folgt allerdings aus diesen beiden Stellen, dass die 
Glossen des Cardinalis nicht die jüngsten in der Handschrift sind. 
4. Über die Person des Cardinalis geben uns die Glossen keinen 
Aufschluss. Auch für die genauere Bestimmung der Zeit ihrer 
Abfassung findet sich kein Anhaltspunct. Es lässt sich daher über die 
Frage, welcher Cardinal dieser jedenfalls bedeutende alte Glossator 
des Deerets gewesen sei, einstweilen nicht entscheiden. Der Zweck 
der folgenden Bemerkungen ist denn auch lediglich, einige Gesichts- 
puncte für weitere Nachforschungen zu bezeichnen. 
Zuvörderst entsteht die Frage, ob die den Glossen beigefügte 
Sigle auf den Namen des Verfassers zu beziehen oder eine Abkür 
zung des Wortes Cardinalis ist. Ich halte das Letztere für wahr 
scheinlicher, aus dem Grunde, weil es sonst ganz unerklärlich wäre, 
dass Huguccio, die Glossa ordin ar ia, der Archidiakonus 
u. s. w. ihn nur als Cardinalis bezeichnen. Dass die Schule ihn aus 
nahmslos bei einem andern Namen nennen sollte, als auf den die 
Sigle seiner Glossen weist, ist fast undenkbar. 
Ist dies richtig, so würde damit zugleich feststehen, dass die 
Glossen von ihm verfasst sind, als er bereits Cardinal war 1 ). 
Daran knüpft sich die weitere Frage, ob die Glossen in Bologna 
oder ausserhalb verfasst sind. Die Präsumtion spricht bei eigent 
lichen Glossen sowohl der römischen als der canonischen Rechts 
quellen allemal für das erstere. Damit ist aber nicht gesagt, dass 
nicht ausnahmsweise auch ein anderer Fall vorgekommen sein könnte. 
Nehmen wir an, dass ein Glossator der Rechtsschule von Bologna 
auswärts nur die begonnene Thätigkeit fortgesetzt hätte. Bedenk 
licher erscheint es schon, die auswärtige Entstehung für solche Glos 
sen anzunehmen, die ein Gemeingut der Schule geworden sind und 
mit den in Bologna entstandenen sich fortgepflanzt haben, was offen 
bar vorliegend geschehen ist. Indess handelt es sich hier nur um 
factische Schwierigkeiten, die in einem einzelnen Falle durch ent- 
gegenwirkende Ursachen besiegt sein könnten. Es bleibt aber nur die 
Wahl zwischen dieser Annahme und der andern, dass der ausser- 
*) Anzunehmen, dass die Siglen erst später heigesetzt seien, was Savigny (Bd. 4, 
S. 32) für I rn eriu s wahrscheinlich gemacht hat, liegt hier kein Grund vor, da der 
Cardinalis aus verschiedenen Ursachen nicht für den ersten Glossator des Deerets 
zu halten ist. 
Sitzh. d. phil.-hist. CI. XXIV. Bd. I. Hft. 
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