Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 24. Band, (Jahrgang 1857)

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F r i e d r i c h Maassen. 
Das Corpus juris canonici ist daher eine Quelle des in einem grossen 
Theil von Deutschland noch gegenwärtig geltenden gemeinen Civil- 
rechts. Zwei der tüchtigsten Juristen des vorigen Jahrhunderts, Chri 
stian Tomasius und Justus Henning Böhmer, heben aus diesem 
Grunde bei jeder Gelegenheit aufs Nachdrücklichste die Nothwen- 
digkeit des canonistischen Studiums auch für den Civilisten hervor. 
Die wichtigste Stelle in dieser Beziehung nehmen unter den 
Bestandtheilen des Corpus juris die Decretalensammlungen ein. Man 
würde sich aber täuschen, wenn man glaubte, dass der Dogmatik der 
durch das canonische Recht berührten Institute des Civilrechts mit 
einer blossen Kenntniss des unmittelbaren, wörtlichen Inhaltes der 
Quellen genügt wäre. In viel geringerem Masse als für das römische 
Recht reicht hier die Kenntniss des Gesetzes hin, aus dem einfachen 
Grunde, weil hier nicht, wie in den römischen Reehtst|uel!en, der 
grösste Theil selbst wissenschaftliche Entwickelung ist. 
Für das Verständniss der Decretalen als Quellen des gemeinen 
Civilrechtes ist erforderlich einmal das Zurückgehen auf das frühere 
canonische Recht, namentlich das Decret, dann aber auch, und zwar 
vor allen Dingen, auf die früheren Glossatorenschriften. 
Ich glaube nun nicht zu weit zu gehen, wenn ich der Ansicht 
bin, dass es für den letzteren Zweck noch an vielem nothwendigen 
gebricht 1 ). Es würde mir nicht ziemen, S a rti’s grosse Verdienste 
noch hervorheben zu wollen. Aber was Savigny über die Bedeu 
tung seines Werks für die eigentliche Literargeschiehte sagt, das 
gilt ebensowohl für die Glossatoren des canonischen Rechts als für 
die des römischen. In dieser Beziehung hat Sarti den grössten Theil 
der Arbeit zurüekgelassen. Für Einen Zweig, die ordines judiciarii, 
ist allerdings in der neuern Zeit verhältnissmässig viel geschehen 2 ) ; 
1 ) Es bedarf nicht der ausdrücklichen Erwähnung, dass es nicht die Aufgabe von Hand- 
und Lehrbüchern sein kann, hier Detailforschungen zu liefern. 
2 ) Sa vigny an verschiedenen Stellen seiner Rechtsgeschichte, ferner Incerti auctoris 
ordo judiciarius (Ulpianus de edendo), ed. Haenel 1838. — Bartoli de Saxoferrato 
Iractatus de online judiciorum, ed. Martin 1838. — Anecdota, quae processum 
civilem spectant, Bulgarus, Damasus, Bonaguida , edid. Ag. W u n d e r 1 i ch 1841. 
— F. Bergmann, Dissert. de libello, quem Tancredus Bonon. de judiciorum ordine 
composuit. 1838. (Recension von Wunderlich in den kritischen Jahrbüchern 
für deutsche Rechtswissenschaft, B. 9,1841, S. 229—233.) — Pillii, Tancredi, Gratiae 
libri de judiciorum ordine, ed. F. Bergmann 1842. — W u nd e r I i c h, Beiträge zur 
Literargeschiehte des Processes im XII. und XIII. Jahrhundert, Zeitschr f. geseh. 
Rechtswissenschaft, Bd. 11, 1842, S. 73—98. — Rudorff, Über den Processus
	        
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