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Ferdinand Wolf.
So stammen aus jener Zeit die berühmten „Prophecias“ von
Bandarra diese und ihnen ähnliche prophetische Gesänge von
des portugiesischen Volkes neu erwachendem Ruhme und der Ab-
schiittelung des spanischen Joches machen nebst den nun mehr als
je zahlreichen Wunderlegenden (lendas de milagres) und geistlichen
Liedern (canfoes ao divino) die einzig echte Volkspoesie jener
Zeit aus.
Zwar entstanden nach dem Siege über die spanische Usurpa
tion neuerdings historische Romanzen die diesen Sieg und des
Volkes Antheil feierten; aber sie waren nicht eigentlich mehr volks-
mässige, sie gingen nicht von dem Volke aus, sondern wurden von
Dichtern von Profession gemacht um ihm zu schmeicheln und den
Feind zu verhöhnen, und unterscheiden sieh daher durch Styl, Ton
und Colorit schon gar sehr von den alten echten Volksromanzen 3 ).
Diese historisch-panegyrischen Romanzen glichen entweder gereim
ten Zeitungsberichten und Bulletins, ganz in der Art so vieler spani
schen Romanzen aus der Zeit Karl’s V. und Pliilipp’s II., oder sie
waren, rührten sie von eigentlichen Kunstdichtern her, durch all
den gesucht dunklen Schwulst des Culteranismus und Gongorismus
entstellt, die damals auch in der portugiesischen Kunstpoesie herrsch
ten; ja bis auf die metrische Form verleugneten nun auch in Por
tugal die Romanzen die echte Nationalität und wahre Volkstümlich
keit, indem sie die indigenen Redondilhos mit den italienischen
Hendecasyllabos vertauschten, gleich den sogenannten Romances
heröicos der Spanier.
So hatte seit dem 17. Jahrhundert die portugiesische Poesie
mit der spanischen all die Extravaganzen der Überreiztheit und zu
nehmender Impotenz geteilt, und dem andern Extrem, einer farb
losen, nüchternen, mattherzigen Pseudo-Classicität, die Alleinherr
schaft eingeräumt 3 ), ohne dass, wie in Spanien, auch in Portugal die
*) Vgl. über den Schuhflicker von Trancoso, Gon 9a Io Annes de Bandarra, den
Hans Sachs und Jakob Böhme der Portugiesen, Barbosa-Machado, Bibi, lusit.
s. v. Gongalo Annes; — und Ferdinand Denis, Resume de I’hist. litt, du
Portugal. Paris 1826. 12<>. pag. 216 et 217.
2 ) „Nao e o povo,“ sagt Herr Garrett von diesen Romanzen, „que conta as suas
victorias, sao os poetas que querem cortejar o povo no dia da sua glöria e que o
nao sabem fazer senao com grosseiros motejos aos inimigos vencidos.“
3 ) Herr Garrett sagt sehr gut und energisch: „Madrid e Lisboa rivallizavam a quäl
havia de proscrever e escarnecer mais a sua verdadeira poesia nacional. A falsa