Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 20. Band, (Jahrgang 1856)

28 
Ferdinand Wolf. 
So stammen aus jener Zeit die berühmten „Prophecias“ von 
Bandarra diese und ihnen ähnliche prophetische Gesänge von 
des portugiesischen Volkes neu erwachendem Ruhme und der Ab- 
schiittelung des spanischen Joches machen nebst den nun mehr als 
je zahlreichen Wunderlegenden (lendas de milagres) und geistlichen 
Liedern (canfoes ao divino) die einzig echte Volkspoesie jener 
Zeit aus. 
Zwar entstanden nach dem Siege über die spanische Usurpa 
tion neuerdings historische Romanzen die diesen Sieg und des 
Volkes Antheil feierten; aber sie waren nicht eigentlich mehr volks- 
mässige, sie gingen nicht von dem Volke aus, sondern wurden von 
Dichtern von Profession gemacht um ihm zu schmeicheln und den 
Feind zu verhöhnen, und unterscheiden sieh daher durch Styl, Ton 
und Colorit schon gar sehr von den alten echten Volksromanzen 3 ). 
Diese historisch-panegyrischen Romanzen glichen entweder gereim 
ten Zeitungsberichten und Bulletins, ganz in der Art so vieler spani 
schen Romanzen aus der Zeit Karl’s V. und Pliilipp’s II., oder sie 
waren, rührten sie von eigentlichen Kunstdichtern her, durch all 
den gesucht dunklen Schwulst des Culteranismus und Gongorismus 
entstellt, die damals auch in der portugiesischen Kunstpoesie herrsch 
ten; ja bis auf die metrische Form verleugneten nun auch in Por 
tugal die Romanzen die echte Nationalität und wahre Volkstümlich 
keit, indem sie die indigenen Redondilhos mit den italienischen 
Hendecasyllabos vertauschten, gleich den sogenannten Romances 
heröicos der Spanier. 
So hatte seit dem 17. Jahrhundert die portugiesische Poesie 
mit der spanischen all die Extravaganzen der Überreiztheit und zu 
nehmender Impotenz geteilt, und dem andern Extrem, einer farb 
losen, nüchternen, mattherzigen Pseudo-Classicität, die Alleinherr 
schaft eingeräumt 3 ), ohne dass, wie in Spanien, auch in Portugal die 
*) Vgl. über den Schuhflicker von Trancoso, Gon 9a Io Annes de Bandarra, den 
Hans Sachs und Jakob Böhme der Portugiesen, Barbosa-Machado, Bibi, lusit. 
s. v. Gongalo Annes; — und Ferdinand Denis, Resume de I’hist. litt, du 
Portugal. Paris 1826. 12<>. pag. 216 et 217. 
2 ) „Nao e o povo,“ sagt Herr Garrett von diesen Romanzen, „que conta as suas 
victorias, sao os poetas que querem cortejar o povo no dia da sua glöria e que o 
nao sabem fazer senao com grosseiros motejos aos inimigos vencidos.“ 
3 ) Herr Garrett sagt sehr gut und energisch: „Madrid e Lisboa rivallizavam a quäl 
havia de proscrever e escarnecer mais a sua verdadeira poesia nacional. A falsa
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.