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I. Abhandlung: v. Srbik.
cles aufstrebenden Kapitalismus, die Lehre vom wirtschaftlichen
Kampfe eines Staates gegen den andern, eines Volkes gegen
das andere, die vom Grundsätze ausgeht, des einen Schaden
sei des andern Vorteil, die in der Bilanzidee ihr Zentrum und
im Gelde das wichtigste Mittel zur wirtschaftlichen Erziehung
des Volkes, zur ökonomischen und politischen Selbständigkeit
des einheitlichen nationalen Staates findet; jene Lehre, die, um
ein noch von Justi gebrauchtes oft wiederholtes Bild anzu
wenden, meint, die Finanzkammer sei das Herz, die Geldzirku
lation der Blutlauf, die Wege der Einnahmen und Ausgaben
die Venen und Arterien, das Geld das treibende Moment im
Staatskörper. 1 Deutlich tritt in dieser Ökonomie der Einfluß
der aufblühendsten Wissenschaft, der Physik, des mechanisti
schen und mathematischen Gedankens, den Descartes in die
Philosophie eingeführt, zutage. 2
Je mehr der fiskalische Gedanke vorwaltete, jene Eigen
tümlichkeit, die in den meisten Staaten die volkswirtschaftliche 1
Praxis des älteren Merkantilismus aufweist, desto eifriger fahn
dete man nach jenen, die der Natur ihre größten Geheimnisse
abgelauscht zu haben behaupteten. Und je größer die Not der
Finanzen, je schwieriger es einem Staate wurde, sich von den
drückenden Banden fremder ökonomischer Beherrschung frei
zu machen, den Kampf mit der übermächtigen Konkurrenz des
Auslandes aufzunehmen, desto empfänglicher waren seine Leiter
für die Lockungen der Adepten, der Jünger des neuen Wissens.
In dieser Höhezeit des merkantilistisdien Staatslebens eint
sich das wissenschaftliche und das finanzielle Interesse des
Fürsten als Privatmannes und als Trägers der Wirtschafts
politik; da kann es, meine ich, denn auch nicht wundernehmen,
wenn so mancher, der in der Chemie, sei es als Alchemist,
sei es als Chemiker im höheren Sinne, sich einen dauernden
Platz erworben hat, auch in den Reihen der Begründer jener
zweiten Wissenschaft erscheint, die sich eben damals ihren
1 Vgl. auch J. Kautz, Die geschichtliche Entwicklung des Nationalökonomie
und ihrer Literatur (Theorie und Geschichte der Nationalökonomie 2.)
Wien 1860, S. 229 ff.
2 Vgl. Xfarl Pribram, Die Idee des Gleichgewichts in der älteren national-
ökon. Theorie, Zeitschrift f. Volkswirtsch., Sozialpolitik und Verwaltung,
17. Bd., S. 1 ff.