Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 164. Band, (Jahrgang 1909)

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I. Abhandlung: v. Srbik. 
cles aufstrebenden Kapitalismus, die Lehre vom wirtschaftlichen 
Kampfe eines Staates gegen den andern, eines Volkes gegen 
das andere, die vom Grundsätze ausgeht, des einen Schaden 
sei des andern Vorteil, die in der Bilanzidee ihr Zentrum und 
im Gelde das wichtigste Mittel zur wirtschaftlichen Erziehung 
des Volkes, zur ökonomischen und politischen Selbständigkeit 
des einheitlichen nationalen Staates findet; jene Lehre, die, um 
ein noch von Justi gebrauchtes oft wiederholtes Bild anzu 
wenden, meint, die Finanzkammer sei das Herz, die Geldzirku 
lation der Blutlauf, die Wege der Einnahmen und Ausgaben 
die Venen und Arterien, das Geld das treibende Moment im 
Staatskörper. 1 Deutlich tritt in dieser Ökonomie der Einfluß 
der aufblühendsten Wissenschaft, der Physik, des mechanisti 
schen und mathematischen Gedankens, den Descartes in die 
Philosophie eingeführt, zutage. 2 
Je mehr der fiskalische Gedanke vorwaltete, jene Eigen 
tümlichkeit, die in den meisten Staaten die volkswirtschaftliche 1 
Praxis des älteren Merkantilismus aufweist, desto eifriger fahn 
dete man nach jenen, die der Natur ihre größten Geheimnisse 
abgelauscht zu haben behaupteten. Und je größer die Not der 
Finanzen, je schwieriger es einem Staate wurde, sich von den 
drückenden Banden fremder ökonomischer Beherrschung frei 
zu machen, den Kampf mit der übermächtigen Konkurrenz des 
Auslandes aufzunehmen, desto empfänglicher waren seine Leiter 
für die Lockungen der Adepten, der Jünger des neuen Wissens. 
In dieser Höhezeit des merkantilistisdien Staatslebens eint 
sich das wissenschaftliche und das finanzielle Interesse des 
Fürsten als Privatmannes und als Trägers der Wirtschafts 
politik; da kann es, meine ich, denn auch nicht wundernehmen, 
wenn so mancher, der in der Chemie, sei es als Alchemist, 
sei es als Chemiker im höheren Sinne, sich einen dauernden 
Platz erworben hat, auch in den Reihen der Begründer jener 
zweiten Wissenschaft erscheint, die sich eben damals ihren 
1 Vgl. auch J. Kautz, Die geschichtliche Entwicklung des Nationalökonomie 
und ihrer Literatur (Theorie und Geschichte der Nationalökonomie 2.) 
Wien 1860, S. 229 ff. 
2 Vgl. Xfarl Pribram, Die Idee des Gleichgewichts in der älteren national- 
ökon. Theorie, Zeitschrift f. Volkswirtsch., Sozialpolitik und Verwaltung, 
17. Bd., S. 1 ff.
	        
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