Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 153. Band, (Jahrgang 1906)

Germanische Elben und Götter heim Estenvolke. 
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doch, daß Wiedemann die Bedeutung des Wortes etwas zu 
sehr verallgemeinert hat und daß Herr Bibliothekar Karl Ma- 
sing, ein ausgezeichneter Kenner des Estenvolkes, im Rechte 
ist, wenn er mit Entschiedenheit den tont seinem ursprüng 
lichen Wesen nach für einen Hauskobold oder Hausgeist, dem 
russischen Domowoi entsprechend, erklärt. 1 
Auch in Hurts und Blumbergs Schilderungen erscheint 
er als ein solcher. Vielleicht kommen bei der Differenz in 
diesen Angaben auch örtliche Unterschiede in Betracht. Wiede 
manns Bezeichnung des tont als eines bösen Geistes wird z. B. 
durch Max Stillmark für die Gegend von Werro bestätigt. 
Dort unterschied sein estnischer Gewährsmann mit Bestimmt 
heit den guten Hausgeist tule-händ, den Feuerschweif, von dem 
offenbar böse gedachten tont: ,Beileibe kein tont, sondern ein 
guter Geist!' 2 
Nach Wiedemanns Angabe halten sich die tondid gern 
in Gestalt verschiedener Tiere bei unbewohnten Gebäuden, 
namentlich Dreschscheunen auf, wo sie bisweilen versucht 
haben, den Aufseher, den sogenannten ,Riegenkerl', in den 
Ofen zu schleppen. 3 
Man pflegt an wenig besuchten Stellen, in Gebäuden oder 
auch im Walde, einen toiidi-wakk oder tondi-kogu versteckt zu 
halten, d. h. einen Paudel oder Anteil des tont. Derselbe be 
steht in einem aus Rinde verfertigten Korb, in welchem man 
cherlei an sich wertlose Gegenstände, wie Lappen, Stücke von 
Schuhen, auch kleine Silbermünzen u. dgl. als Opfer niedergelegt 
werden. 3 — Nach Blumberg wohnt der tont für gewöhnlich 
auf dem Boden der Wohnstube oder in der Kleete, wohin ihm 
die Wirtin täglich eine Schale mit Milch oder Suppe stellen 
muß. 4 Damit ist er wiederum deutlich gerade als ein Haus 
geist gekennzeichnet. Auf die auch bei dem tont behauptete 
feurige Erscheinung, sein Schätzezutragen und die Art, wie 
1 Nach mündlicher Mitteilung von Seiten des Herrn Masing. 
2 Vgl. Stillmark, Sitzungsberichte der Gel. estn. Ges. für 1890, p. 79; das 
selbe in Stillmarks Erinnerungen eines livländisclien Jägers, Dorpat 
1896, p. 54. Eine sehr hübsche und lebendige Schilderung von dem 
feurigen Hauskobold ,Tulihänd‘. 
3 Vgl. Wiedemann, a. a. O., p. 412. 
4 Vgl. Blumberg, a. a. O., p. 38. 39.
	        
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