Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 142. Band, (Jahrgang 1900)

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X. Abhandlung: Kastil. 
liches Missverständnis gegründet, mir kaum erspart bleiben 
dürfte, suchte ich nicht ihm durch einen nochmaligen Hinweis 
auf die eigentliche Aufgabe dieser Schrift zu begegnen. Thomas 
ein Subjectivist auf dem Gebiete der Moral, er der mit schier 
unnachahmlicher Grösse ein Summum bonum als unverrück 
bares Ziel unseres Strebens an die Spitze seiner ethischen Be 
trachtungen stellt! Dies mag Manchem gezwungen, übereilt, 
manchem, dem mehr als wissenschaftliche Ueberzeugung dem 
grossen Scholastiker verbündet, vielleicht geradezu frevelhaft 
erscheinen. 
Doch ist mein logisches Gewissen rein. Den psycho 
logischen Grundlagen, die Thomas seiner Ethik gibt, galt meine 
Untersuchung und ward dadurch darauf gewiesen, seiner Ana 
lyse des Begehrens zu folgen. Und dass sich eine solche bei 
ihm findet, dass er thatsächlich heissen Bemühens aus dem 
Boden seiner Seelenlehre den Schatz ethischer Erkenntnis zu 
heben sucht, ist ein deutliches Zeugnis für den — von vor- 
urtheilsvoller Befangenheit oft genug verkannten —- echt wissen 
schaftlichen Charakter seines Philosophierens. 
Allein je sorgfältiger ich diese psychologischen Bemü 
hungen verfolgte, umsoweniger konnte mir die Divergenz seiner 
Resultate mit seinen eigenen psychologischen Grundlehren ent 
gehen. Denn diese tragen schon in der Form, wie er sie von 
Aristoteles übernahm, den Keim des ethischen Subjectivismus 
in sich, und, was auch immer Grosses, Erhebendes und Rich 
tiges seine Güterlehre aufweist, ähnlich wie nach einem Worte 
Hegels, bei Schelling das Absolute, erscheint bei Thomas das 
absolut Gute ,wie aus der Pistole geschossen*.
	        
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