116
Dr. Wattenb acli.
Der Kaiser Diokletian erscheint uns hier nicht wie in anderen
Legenden als ein blutdürstiger Tyrann, sondern als ein kunstliebender
Monarch der nur ungern, und getrieben durch den Künstlerneid von
Nebenbuhlern, die Strenge der Gesetze gegen seine besten Bild
hauer anwenden lässt; jedoch nicht eher als his er sich versichert
hat, dass auch unter den Heiden noch eben so gute Künstler zu linden
sind. Selbst der Tribun Lampadius, obgleich ihn zuletzt der Teufel
holt, wird als ein wohlwollender Mann geschildert.
Der Schauplatz ist, wie gesagt, in den pannonischen Stein
brüchen; 622 Arbeiter sind dort beschäftigt unter der Leitung von
fünf Philosophen, denn so heissen hier die technischen Directoren,
Avelche die zur Bearbeitung geeigneten Steine auszusuchen und
die Ausführung zu beaufsichtigen haben. Es werden hier in einem
Steinbruche aus dem thasischer Stein gewonnen wird, dann aber am
feurigen Berge aus Porphyr sowohl Säulen mit ihren Capitellen,
Brunnenschalen mit wasserspeienden Löwen, als auch Statuen, der
Sonnengott mit vierspännigem Wagen, Victorien, Amoren gearbeitet,
zu Diokletians grosser Zufriedenheit der selbst hingekommen war,
um die Arbeiten in Augenschein zu nehmen, und sich dann während
seines Aufenthaltes in Pannonien alle fertig gewordenen Gegenstände
sogleich bringen lässt. An der Ausführung der zur Verzierung be
stimmten Victorien und Amoretten, selbst des Sonnengottes, nehmen
auch die christlichen Arbeiter keinen Anstoss, allein ein Tempelbild
des Äskulap weigern sie sich entschieden zu verfertigen. Das be
nutzen die Philosophen zu ihrem Verderben; längst waren sie neidisch,
weil ihnen nichts gelingen wollte, während die Christen mit bestem
Erfolge arbeiten und auch die wissenschaftliche Leitung an sich
nehmen, welche sonst das Amt der Philosophen war. Diokletian hatte
sie ihnen ausdrücklich übertragen, da sie sich auch hierin geschickter
zeigten als die Philosophen. Das gute Gedeihen ihrer Arbeit bewegt
auch ihren Gesellen Simplicius, ihr Schüler zu werden und sich von
dem dort im Gefängniss schmachtenden Bischöfe Cyrillus von An
tiochien taufen zu lassen; — wieder ein bedeutsamer Zug für die
Ausbreitung des Christenthumes.
Die endliche Katastrophe haben wir schon oben angedeutet
und unterlassen es, hier näher darauf einzugehen; die Erwähnung
des Papstes Melchiades ist ein chronologischer Fehler, welcher die
Abfassung der Legende einer späteren Zeit zuweist. Allein zu weit