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SITZUNG VOM 16. FEBRUAR 1853.
Gelesen:
Passio Sanctorum Quatuor Coronatohm.
Mitgetheilt von Hrn. Dr. Wattenbach.
Mit einem Nachworte des Hrn. Präsidenten von Karajan.
Die herzogliche Bibliothek in Gotha bewahrt einen grossen
Folianten (Fol. 64), der zahlreiche Heiligenleben enthält, welche
etwa im vierzehnten Jahrhunderte sauber und correct auf Pergament
geschrieben sind. Unter diesen befindet sich auch (Fol. 101) die
Passio Sanctorum Quatuor Cor onaiorum, welche wir
hier mittheilen. Gedruckt sind bis jetzt, so viel ich habe in Erfahrung
bringen können, unter diesem Titel nur kurze und unbedeutende Be
richte, welche sich zu dieser Erzählung wie ein dürftiger Auszug
verhalten, und denen alles fehlt was diese Legende bemerkenswerth
macht.
Zuvörderst zeigt sich sogleich, dass das Martyrium der Vier
Gekrönten ganz zurücktritt gegen die Schicksale fünf anderer
Märtyrer, mit welchen jene nur zufällig in einer nicht ganz klaren
Weise in Verbindung gebracht sind. Die Hauptpersonen sind fünf
Arbeiter in den pannonischen Bergwerken, und unerwartet entrollt
sich hier vor unsern Augen die Darstellung eines Stilllebens in den
Steinbrüchen, wovon kein anderer Schriftsteller uns etwas berichtet
hat; lebendig tritt es uns entgegen, wie unter diesen Arbeitern das
Christenthum Eingang fand und sich allmählich verbreitete: wir
lernen einen neuen Weg für die Durchdringung aller Verhältnisse mit
dem Geiste der christlichen Lehre kennen, den man bis jetzt nur
muthmassen konnte, ohne bestimmte Angaben darüber zu haben.