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Gomperz.
,Dabei aber“ (nämlich bei Erfindung eines phonetischen Alphabets) ,müssen
die Buchstabenzeichen womöglich so erwählt und gestellt werden, dass man
erstens an die gegenseitigen Verwandtschaften der bezeichneten Laute
und zweitens an ihre Unterschiede leicht erinnert wird Was die
Verwandtschaften betrifft, so sind sie doppelter Art. Entweder beruhen sie
auf der Gemeinschaft der sie hervorbringenden Organe, oder sie bestehen, bei
Verschiedenheit der Organe, in der Aehnlichkeit ihrer sprach-mechanischen
Verrichtungen. 1 (Ivadmus oder Allgemeine Alphabetik, S. 265—266).
7 Man dürfte einwenden: ich habe zwar zweifellos recht daran
gethan, den Symbolen für t und 8 die zwei allein übrigen correspondirenden
Stellen, ober- und unterhalb des Vocalzeichens, anzuweisen, nicht dasselbe
gelte aber von ihrer Folgeordnung; diese könne ebenso wohl, ja mit
besserem Fug, die umgekehrte sein, denn es sei naturgemässer, die Auf
zählung von oben nach unten und dann zu dem benachbarten rechten Fass
ende fortzuführen, als die von mir angenommene Reihenfolge einzuhalten.
Das Gewicht dieses Einwandes Hesse sich noch durch die Bemerkung ver
stärken, dass die Wortfolge 8iXxa. Ejcotvw einen Hiat in sich schliesst, den
einzigen, den ich in der Herstellung dieser ganzen Columne anzunehmen
genöthigt war, während nicht nur Zeile 22 das E in Sk elidirt wird, sondern
auch aus manchen Redewendungen das Streben nach Meldung des Hiats
hervorzuleuchten scheint. Hierauf lässt sich erwidern: dass der Hiat nur
ein graphischer ist — denn sprechen konnte man ja sehr wohl
ir.a.'jw —, während hier, wo der Buchstabenname mit Emphase gebraucht
ist (nimmt er doch für sich allein eine ganze Zeile ein), eine derartige Ver
stümmelung des Wortkörpers am wenigsten zu erwarten -war, — dass ferner in
Bezug auf Elision oder Nichtelision in Inschriften höchst selten strenge (Kon
sequenz herrscht (Herwerden, Lapidum de dialeeto attica testimonia, p. 51,
und Wecklein, Curae epigraphicae, p. 49), und dass, schliesslich, selbst ISo
krates den Hiat ,ziemlich oft“ zulässt, ,wenn durch die Interpunction ein
Ruhepunkt eintritt 1 (Kühner Gr. Grammatik I, 160 Anm.). Was aber jenen
ersten und hauptsächlichen Einwurf betrifft, so vermag ich in dpr That nur
an das zu erinnern was man die Macht des Zufalls zu nennen pflegt, genauer
gesprochen an eine Erfahrungsregel, die mir wenigstens als eine durch
gängig allgemeine gilt: dass nämlich in menschlichen Dingen, in grossen
wie in geringen, niemals Alles bis ins Kleinste und Einzelnste herab genau
so verläuft, wie man es nach allgemeinen Präsurptionen von vornherein
hätte erwarten mögen. Welchen Widerspruch hätten nicht — um bei unserem
Texte stehen zu bleiben — mehrere Stellen desselben hervorgerufen, wären
sie nicht klar überliefert, sondern einer conjecturalen Ergänzung bedürftig
gewesen. Oder hätte es nicht gar Vielen unglaublich geschienen, dass in
völlig gleichem Sinne einmal litt und ein andermal r.po? rr]v apj(r|V jipoarjYpivj]
gesagt wird, oder dass Zeile 24 nicht ein von dem unmittelbar vorangehenden
(und dann allenfalls zeugmatisch zu verstehenden) TtpoorjYp.kvri abhängiges
jtpos . . rrjv teXeut)]V, sondern ein von dem weiter zurückliegenden xeÖEiaa
bedingtes itpb; . . xrj Tsi.E’jijj erscheint? Und doch wäre der Kritiker, der den
Gedankenzusammenhang fest ins Auge gefasst und über diese kleinen Anstösse
hinweggesehen hätte, nicht auf falscher Fährte gewesen. So muss ich auch hier