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G o m p e r z.
vor uns liegt. Das Eine sehlicsst das Andere in sich, oder
vielmehr es sind nur zwei Seiten eines und desselben geistigen
Processes. Nun stehen wir aber einer Epoche gegenüber, welche
reformlustiger und fortschrittstrunkener war als irgend eine an
dere, als selbst der Höhepunkt des vernunftberauschten acht
zehnten Jahrhunderts. Es waren die Lenzestage des erwachenden
Menschengeistes, dessen schwellenden Jugenddrang der Mehl-
thau des Misserfolges noch nicht gestreift, dessen siegesfrohen
Aufschwung der ernüchternde Hauch der Erfahrung noch nicht
gedämpft hatte. Wer in solcher Zeit ein Uebel zu bekämpfen
unternimmt, der bescheidet sich nicht leicht damit, etwa blos
seinen Besitzstand einzuschränken oder es mit schonender Hand
einer schrittweisen Verbesserung zuzuführen. Er will dasselbe
— und sei es noch so weit verzweigt oder noch so tief gewurzelt
— frischweg ausrotten und durch ein möglichst Vollkommenes
ersetzen. 41 Und so empfiehlt es sich denn allerdings als die wahr
scheinlichste Annahme, dass unser graphischer Neuerer sich das
höchste Ziel gesteckt hat, das er sich zu setzen vermochte: die
Umwälzung des hellenischen Schriftwesens überhaupt, die Ver
drängung der althistorischen Schrift der Griechen durch seine
Neuschöpfung, die er an der geweihtesten Stätte des ,Pryta-
neums von Hellas* seinen Volksgenossen zur Beurtheilung vor
legte und zur Annahme empfahl.
Doch hierüber, über die Zwecke und den Umfang der
geplanten Reform ist eine Meinungsverschiedenheit möglich.
Nicht aber in Rücksicht des Geistes, von dem sie durchweht
ist und der sie so überaus denkwürdig macht. Es ist dies der
Geist der unbedingtesten Vernunftmässigkeit, — der vollständig
sten Emancipation von Pierkommen und Ueberlieferung. Es
ist dies der Geist eines Mannes, der einer praktischen Aufgabe
gegenüber nicht nach rechts und nicht nach links, sondern
nur gerade vor sich hin blickt und nur die eine Frage kennt:
welche Wirkung gilt es zu erzielen und welche sind die ge
eignetsten Mittel, um sie zu erzeugen? Es ist jener Geist vor-
aussetzungs- und vorbehaltloser Zweckherrschaft, der insbe
sondere durch Sokrates auf den Thron gehoben und von den
Cynikern auf allen Lebensgebieten zu schonungslosester Anwen
dung gebracht ward, — der alles geschichtlich Entstandene,
vom Höchsten bis zum Niedrigsten, von den Grundlagen der