712
Z i m m e rm an n.
aller innerhalb der Grenzen jeder einzelnen oder vielmehr in der
Nichtanerkennung irgend einer derselben als allgemeiner stören.
Dem religiösen Indifferentismus trat im Laufe des 17. Jahr
hunderts durch Herbert die Aufrichtung einer natürlichen Reli
gion, dem ethischen Indifferentismus gleichzeitig zuerst durch
Grotius die Aufrichtung einer natürlichen Rechtslehre, durch
Puffendoi’f und Leibniz die eben solche einer natürlichen Moral
entgegen. Wie die natürliche Religion von dem Grundsatz aus
ging, dass es im Gegensatz zu den particularistischen Landesreli
gionen eine universelle Religion, so gingen Grotius Puffendorf und
Leibniz von dem Grundsatz aus, dass es im Gegensatz einer
seits zu den positiven Landesgesetzgebungen eine universelle
Rechts- und im Gegensatz gegen die eben solchen Landessitten
und Bräuche eine universelle Moralgesetzgebung geben müsse.
Darüber, dass sowohl der Inhalt der ersten wie der Inhalt
dieser beiden, um universell zu sein, aus einer selbst univer
sellen Quelle geschöpft werden müsse, waren alle drei ebenso
einig, wie darüber, dass diese letztere weder (wie bei den
Sophisten) die individuelle noch wie in dem Inhalt der beson
deren Landesreligionen Landesgesetzgebungen und Landes
bräuche, die besondere landesartige, sondern ausschliesslich
die allgemeine d. i. die rein menschliche Natur des Menschen
sein könne. Während die individuelle Natur des Menschen
sich dadurch charakterisirt, dass sie in jedem Individuum, die
landesartige Natur des Menschen dadurch, dass sie bei den
Einwohnern jedes Landes eine andere ist, zeichnet die allge
meine Menschennatur sich durch den Umstand aus, dass sie
nicht nur in jedem Individuum, sondern in den Einwohnern
jedes Landes ohne Unterschied eine und dieselbe ist. Voraus
gesetzt also, dass es eine solche allen Menschen gemeinsame
Natur wirklich gibt (was entweder als selbstverständlich an
genommen oder selbst erst erwiesen werden muss), so folgt
allerdings, dass dasjenige, was aus dieser ausschliesslich ge
folgert wird, es sei nun religiöser juristischer oder moralischer
Natur, auch für alle Menschen ohne Unterschied der Indivi
dualität und Landesangehörigkeit Geltung besitze.
Der Punkt, um den sich die Behauptung der Möglichkeit
sowohl einer universellen Religion wie einer universellen Rechts
und Sittenlchre dreht, ist die Frage des Bestandes oder der