Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 105. Band, (Jahrgang 1844)

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Z i m m e rm an n. 
aller innerhalb der Grenzen jeder einzelnen oder vielmehr in der 
Nichtanerkennung irgend einer derselben als allgemeiner stören. 
Dem religiösen Indifferentismus trat im Laufe des 17. Jahr 
hunderts durch Herbert die Aufrichtung einer natürlichen Reli 
gion, dem ethischen Indifferentismus gleichzeitig zuerst durch 
Grotius die Aufrichtung einer natürlichen Rechtslehre, durch 
Puffendoi’f und Leibniz die eben solche einer natürlichen Moral 
entgegen. Wie die natürliche Religion von dem Grundsatz aus 
ging, dass es im Gegensatz zu den particularistischen Landesreli 
gionen eine universelle Religion, so gingen Grotius Puffendorf und 
Leibniz von dem Grundsatz aus, dass es im Gegensatz einer 
seits zu den positiven Landesgesetzgebungen eine universelle 
Rechts- und im Gegensatz gegen die eben solchen Landessitten 
und Bräuche eine universelle Moralgesetzgebung geben müsse. 
Darüber, dass sowohl der Inhalt der ersten wie der Inhalt 
dieser beiden, um universell zu sein, aus einer selbst univer 
sellen Quelle geschöpft werden müsse, waren alle drei ebenso 
einig, wie darüber, dass diese letztere weder (wie bei den 
Sophisten) die individuelle noch wie in dem Inhalt der beson 
deren Landesreligionen Landesgesetzgebungen und Landes 
bräuche, die besondere landesartige, sondern ausschliesslich 
die allgemeine d. i. die rein menschliche Natur des Menschen 
sein könne. Während die individuelle Natur des Menschen 
sich dadurch charakterisirt, dass sie in jedem Individuum, die 
landesartige Natur des Menschen dadurch, dass sie bei den 
Einwohnern jedes Landes eine andere ist, zeichnet die allge 
meine Menschennatur sich durch den Umstand aus, dass sie 
nicht nur in jedem Individuum, sondern in den Einwohnern 
jedes Landes ohne Unterschied eine und dieselbe ist. Voraus 
gesetzt also, dass es eine solche allen Menschen gemeinsame 
Natur wirklich gibt (was entweder als selbstverständlich an 
genommen oder selbst erst erwiesen werden muss), so folgt 
allerdings, dass dasjenige, was aus dieser ausschliesslich ge 
folgert wird, es sei nun religiöser juristischer oder moralischer 
Natur, auch für alle Menschen ohne Unterschied der Indivi 
dualität und Landesangehörigkeit Geltung besitze. 
Der Punkt, um den sich die Behauptung der Möglichkeit 
sowohl einer universellen Religion wie einer universellen Rechts 
und Sittenlchre dreht, ist die Frage des Bestandes oder der
	        
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