Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 99. Band, (Jahrgang 1881)

Die nominalisirendo Psychologie der Scholastik des späteren Mittelalters. 215 
der doppelte Fall denkbar, dass entweder jede derselben durch 
das Formprincip der Seele informirt sei, oder die Materie des 
Leibes das seelische Compositum aus Form und Materie zu 
ihrer Form habe. Letzteres erweist sich als unmög-lich, weil 
jenes angebliche seelische Compositum sich nicht als Informa- 
tionsprincip eignet; eine aus Materie und Form zusammen 
gesetzte Seele, deren Materie mit jener des Leibes gleichartig 
sein soll, wäre an sich rein nur Potenz, könnte also für keinen 
Fall Actus corporis oder ein Theilconstituent dieses Actus 
werden. Eben so wenig ist aber die andere Alternative denk 
bar, dass die beiden angeblich gleichartigen Materien durch 
eine und dieselbe Form informirt seien. So wenig als zwei 
Formen derselben Art zugleich in einem und demselben Theile 
der Materie sein können, eben so wenig können umgekehrt 
zwei Materien derselben Art in eine und dieselbe Form gefasst 
sein. Zufolge der angenommenen Gleichartigkeit beider Materien 
müsste das Verhältniss der einen zur gemeinsamen Form genau 
dasselbe sein, wie jenes der anderen, als jede derselben ent 
weder löslich oder unlöslich mit der ihnen gemeinsamen Form 
verbunden sein; daraus würde folgen, dass entweder wie der 
Leib auch die Seele vergänglich, oder umgekehrt wie die Seele 
auch der Leib incorruptibel wäre. Ferner könnten die beiden 
angeblich gleichartigen Materien in nichts von einander unter 
schieden sein, weder secundum genus, weil sie als reine an 
sich völlig unbestimmte Potenzialitäten zu denken wären, noch 
quoad formam, weil sie beide nur Eine Form hätten, noch der 
Quantität nach, weil sie quoad locum et subjectum ungeschieden 
ineinander wären,, welches Ineinandersein auch jede andere 
Art von Distinction ausschliesst. 1 Jene beiden Materien müssten 
also, sofern sie von einander unterschieden sein sollten, der 
angenommenen Voraussetzung entgegen ungleichartig sein; auch 
darum müssten sie als ungleichartig genommen werden, weil 
im entgegengesetzten Falle der Folgerung nicht ausgewichen 
1 Si dicatur, quod illae materiae efficiuntur una, dum anima est in corpore, 
sequitur quod anima aut non est in corpore composita, et ita non est 
eadem conjuncta et separata; aut si sit in corpore composita et in homine 
vivente non sit nisi una materia, non differunt homo et anima, quae 
omnia sunt absurda secundum pliilosophiam et periculosa secundum 
fidem. L. c., n. 6.
	        
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