450
Dr. Fr. Müller
SITZUNG VOM 22. JUNI 1864.
Beiträge zur Kenntniss der neupersischen Dialekte.
II. Kurmängl-Dialekt der Kurdensprache.
Von Dr. Friedrich Müller,
Docent der allgemeinen Sprachwissenschaft an der Wiener Universität.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 8. Juni 1864.)
Die Abweichungen, welche die Sprache der Kurden gegen das
Neupersische, sowohl die Schriftsprache als auch die verschiedenen
Dialekte desselben, darbietet, sind nicht unbedeutend, — anderer
seits sind aber auch die Ähnlichkeiten zwischen beiden Sprachen
derart, dass Jedermann, der sowohl in ihnen als in den anderen
eränischen Sprachen einigermassen bewandert ist, die ganz nahe Ver
wandtschaft beider unmöglich verkennen kann. Und zwar schliesst
sich das Kurdische, wie von einer durch schriftliche Darstellung
wenig ausgebildeten Sprache im vorhinein zu erwarten steht, mehr
an die Dialekte als an die Schriftsprache an, obwohl es hinwiederum
Manches aufweist, was als entschieden alterthümlich bezeichnet
werden muss.
Hieher gehört vornehmlich die Erhaltung des Unterschiedes
zwischen Yä-i und Väiv-i maghül und ma ruf, welcher sich bekannt
lich im Neupersischen, wenigstens im westlichen Persien, ganz und
gar verloren hat. Man vergleiche: ser „Löwe“, neup. jCj (ser),
pes „vor", neup. (pes), m&s „Schaf“, neup. (mes), re
„Bart“, neup. u ~ij (res), kör „blind“, neup. (kör), vgl. arm.
'l"JP (kuir), göh „Ohr“, neup. J'»JT(gos), altb. (gaosha),
dost „Freund“, neup. (dost), zör „Kraft“, neup. (zur),
altb. d(zdvare), roz, rö „Tag“, vgl. neup. (röz), altb.