Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 2. Band, (Jahrgang 1849)

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genetische Erklärung - nötliig; denn jene Begriffe sind auf ge 
schichtlichem Wege zur Ueberlieferung gelangt. 
Als noch Einheit und Harmonie in dem ganzen Lehen und 
Streben des kleinen gebildeten Theiles der Menschheit war, 
bei dem allein von Fragen der Bildung die Rede sein konnte, — 
in dem glücklichen Lande der Griechen, in der Epoche der 
vollkommenen hellenischen Cultur, — da gab es keinen Gegen 
satz, der uns einen Anhalt zur Erklärung des jetzt bestehen 
den bieten könnte. Die Griechen wussten nichts von schönen 
im Gegensätze zu practischen Wissenschaften. Sie nannten den 
Inbegriff aller Fertigkeiten, die dep Menschen zum Menschen 
machen, — Musenkünste. (Musik.) Die Römer, die Epigonen 
der antiken Bildung, suchten, als sie die Sache aus der grie 
chischen Erbschaft mit übernommen, den Begriff derselben — 
glücklich genug — durch das Wort ,,literae humaniores" aus 
zudrücken. Da sie daneben auch artificia necessaria betrieben 
(operosUj sordida), so fängt hier schon der Keim einer Unter 
scheidung in dein Betriebe der Studien sich zu zeigen an. In 
welchem Sinne nun diese literae humaniores zur Bezeichnung 
einer Seite des Unterrichtes wurden, wobei nebst dem allge 
mein menschlichen Inhalte desselben, auch immer die Kenntniss 
der römischen und griechischen Sprache hinzugedacht wird, 
lehrt der Verlauf der Geschichte. Als nämlich diese Sprachen 
der schönsten menschlichen Cultur, in den Zeiten der Völker 
wanderung aus dem lebendigen Verkehre der Nationen sich 
verloren, wurden ihre Schätze in die Bibliotheken der Gelehr 
ten geflüchtet. Hier bildeten sie gleichsam ein stilles Ver 
bindungsmittel für Alle, die sich die schöne Aufgabe stellten, 
ein Asyl für die fortzupflanzende Wissenschaft gegen die ein- 
brechende Barbarei zu bauen. In den ersten Jahrhunderten 
nach der Völkerwanderung konnte eine höhere Ausbildung nur 
durch Hilfe des Inhalts jener Bibliotheken, also nur durch Ver 
mittlung der Sprachen des Alterthums erworben werden. Von 
da an wurden diese Sprachen der Schlüssel eines höheren 
Unterrichtes, und die Philologie, als solche, war geboren. Da 
im Laufe der damaligen Weltbegebenheiten keine neue, der 
alten ebenbürtige Bildung sich entwickelte, so blieb dieser 
Philologismus lange vorherrschend. Die alten Sprachen und
	        
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