Über d. ersten d. beiden durch v. Karnj an veröffentlichten Sprüche etc. 28 i
SITZUNG VOM 21. JULI 1858.
Vorgelegt:
Über den ersten der beiden durch v. Karajan jüngst
veröffentlichten Sprüche aus heidnischer Zeit.
Von dem c. M. Prof. Weinhold.
Die beiden ersten Verse enthalten, auf Wuotan bezogen, eine
mythologische Unrichtigkeit, da seine uranfängliche Existenz nicht
zu beweisen ist. Gestünden wir selbst für die deutschen Stämme
eine der nordischen entsprechende doppelte Weltbildung zu, so ist
doch der wuotanischen eine Zeit vorangegangen , in welcher zwar
keine menschlichen Diebe, aber Wölfe sich fanden, denn der Wolf
ist das vorzüglich riesische Thier. Aus dieser Verlegenheit zieht
uns die Wahrnehmung, dass in Hirtensegen (und ein Hirten-, kein
Reisesegen ist unser Spruch) der Anfang des Evangeliums Johannis
für besonders kräftig galt, vgl. Rochholz, Schweizersagen aus dem
Aargau 1, 326. Zingerle, Sitten aus Tirol n. 491. Ich halte also
die beiden Verse
Christ wart gaboren
er wolf ode diob
für eine Paraphrase der Anfangsworte jenes Evangeliums, und
erachte die Vertauschung von Christ mit Wuotan hier für unzulässig.
In dem nun beginnenden eigentlichen, d. h. altheidnischen
Spruche ist aber ohne allen Zweifel Christ durch Wuotan zu er
setzen. Über den Vorgänger des S. Martin (welcher auch sonst in
Viehsegen angerufen wird, vgl. Grimm, Myth. 1189. Wolf, Beitr.
1. 51) weiche ich von v. Karajan’s Ansicht ab. Vermöchte ich
selbst an einen germanischen Hirtengott Hirmin zu glauben, was mir
nicht gelingen will, so steht das Stabreimgesetz gegen die Verbin
dung Hirmin's mitWuolan, denn die nordische Alliteration von w:h:j
gilt für das Deutsche nicht, wo iv nur mit w und der Aspirata der
Silzb. (1. phil.-hht. CI. XXVIII. Bd. II. Hfl. i >)