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v. Karajan.
SITZUNG VOM 9. DECEMBER 1857.
Gelesen s
Zwei bisher unbekannte deutsche Sprach -Denkmale aus
heidnischer Zeit.
Von dem w. M. Hrn. Th. (r. v. Karajan.
(Mit 1 Tafel.)
Seit der Entdeckung der Merseburger Zaubersprüche durch
Waitz, im Jahre 1842, bis zur Stunde wollte sieh nichts ähnliches
mehr auflinden lassen.
Ich habe seit jenen Tagen, begeistert durch den schönen Fund,
mit der grössten Sorgfalt ganze Sammlungen alter Handschriften Blatt
für Blatt durchforscht, in der Erwartung doch einmal wieder auf
dergleichen zu stossen; ja in den letzten paar Jahren ward mir in
der reichen Handschriften-Sammlung der k. k. Hofbibliothek, der
ich seit dieser Zeit zugetheilt hin, Gelegenheit die Fülle, in dieser
Richtung Geduld und Spürkunst gründlich auf die Probe zu stellen;
und dennoch schien es mir nicht beschieden, durch Ausdauer zu
erreichen, was nur des Geschickes Laune einem lächelnd in den
Schoss wirft.
Was mir aber versagt war, sollte am Nachbartische meinem
Collegen Miklosieh zufallen. Denn dieser reichte mir eines Tages
eine schöne alte Pergament-Handschrift herüber, in der er mitten
unter lateinischen Stücken einige Zeilen entdeckt hatte, die offenbar
Deutsches enthielten, wenn auch nur zum Theile verständlich.
Die genauere Untersuchung seines Fundes trat er mir freundlich
ab. Sie bildet den Gegenstand meines heutigen Vortrages.