Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 175. Band, (Jahrgang 1916)

Phonographierte Gesänge u. Aussprachsproben d. Hebräischen. 9 
auf, 1 welches er solo rezitiert; die Gemeinde sagt leise nach 
und erhebt ein Forte zu ,Amen 1 . 2 Die ,Qeduia‘ singt die 
ganze Gemeinde in einem Fortissimo, ebenso den Priester 
segen. Beim Gemeindegesang singt alles mit, Männer und 
Kinder, jung und alt (nur nicht Frauen), alle sind in den 
synagogalen Gesang gut eingeweiht und singen tatsächlich 
,einstimmig 1 , d. h. im strengen Rhythmus (nicht Takt!). Es 
kommt nie vor, daß jemand vorausgreifen oder nachbleiben 
sollte. 
Der synagogale Gesang ist sehr schlicht und mehr Psal- 
modien oder Litaneien ähnlich. Diese Gesänge, wiewohl sie 
Note für Note in den verschiedenen Synagogen nicht genau 
dieselben sind, weil sie, wie oben erwähnt, keine festgeformten 
Melodien enthalten, bleiben sich doch immer in Bezug auf 
Tonreihe und Motive gleich. 
Im Gegensatz zu den Syriern und Sefardim geben die 
Jemeniten und Perser sehr wenig auf Kehlfertigkeit und die 
Fähigkeit des Sängers, beim Vorbeten zu improvisieren, denn 
sie dulden keine Abweichungen vom Traditionellen. Sie suchen 
im Vorbeter keinen Kunstsänger, sondern einen ,Vorbeter 1 , der 
die Gebete und Wünsche der Gemeinde inbrünstig und ge 
fühlvoll vortragen soll. Daher ziehen sie eine süße, angenehme, 
ins Herz dringende Stimme einer kräftigen vor. Es wird ge 
wöhnlich ein Tenor verlangt. Die Jemeniten besitzen auch mei 
stens einen Tenor, dessen Lage vom kleinen ,e‘ bis zum hohen 
c reicht. Sie unterscheiden eine Kopfstimme und eine Brust 
stimme. Erstere zeichnet sich durch einen dünnen Ton, der 
spitz und von gelblicher Klangfarbe ist, aus, ist nach ihrer 
Behauptung aber trocken und kalt und dringt nicht zu Herzen. 
Daher schätzen sie die sogenannte Bruststimme, die aus dem 
Herzen kommt, waiyn und gefühlvoll sein soll und sich beim 
1 In den Synagogen Jemens existiert kein Almemor in der Mitte der 
Synagoge, sondern der ganze Gottesdienst wird am , c Amud c — am Vör- 
beterpult, das unmittelbar an der heiligen Lade steht — verrichtet, wie 
es in den asclikenasischen Gemeinden üblich ist. 
2 Das ,Sem'a‘ rezitiert wiederum die Gemeinde bis ,Hisameru‘. , Amida‘ 
wird vom Vorbeter solo gesungen, die Gemeinde beteiligt sich nur mit 
,Am6n‘. An den hohen Feiertagen betet die Gemeinde überhaupt keine 
stille 'Amida (lahas), sondern der Vorbeter beginnt die laute Amida, 
welcher die Gemeinde aufmerksam zuhört.
	        
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