Zur orientalischen Altertumskunde.
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Erstens sind es die Datierungen, die ihrer Vollständig
keit wegen den Anschein der größten Zuverlässigkeit erwecken.
Dem ist nicht so. Abgesehen von Fälschungen ist hiebei mit
der Unverläßlichkeit des menschlichen Gedächtnisses zu rechnen.
Oben, bei Tafel IV, haben wir gesehen, wie der Künstler
selbst die Freiheit seines Handelns auf den chronologischen
Zweck ausgedehnt hat. Um vieles schlimmer ist aber die auf
den besprochenen Blättern plötzlich zutage tretende Willkür
in der Setzung der durch Ziffern ausgedrückten Jahresdaten,
nämlich auf Tafel VI mit 148 statt 1048 d. H. und Tafel IX
mit 110 statt 1010 d. H.
Als chronologisch - palaeographische Regel kann ich fest
stellen, daß bei Jahreszahlen der IJidschra, sobald sie das
tausendste Jahr erreicht haben, überall, wo sie hingesetzt zu
werden pflegten, wie auf Münzen, Siegeln, Inschriften und Doku
menten, der Tausender ausgelassen und demnach mit der
Zählung eins d. i. 1001 und einhundertundeins d. i. 1101
begonnen werden kann. Es ist gewiß, daß durch diese Da
tierungs-Methode keine Unklarheit entstehen konnte, wofern die
Regel streng eingehalten wurde. Demnach steht beispielsweise
ü7 für 1067 (AI von Kaschan), 87 für 1087 '(AR von Tebriz),
127 für 1127 (Al von Isfahan), 161 für 1161 (Al von Tebriz) usw.
Das sind Belege von Münzinschriften, die ja sicherlich als
glaubwürdige öffentliche Urkunden gelten können.
Nun will ich aber Beispiele von derlei Datierungen aus
einer Biiderhandschrift geben, wo die begleitenden Umstände
— es handelt sich um Daten kaiserlicher Siegel und auto-
grapher Einzeichnungen — volle Sicherheit verbürgen. Es sind
die aus einem in seiner Art einzigen Bildwerke stammenden,
indo-persischen Buchmalereien allergrößten Formates im
k. k. Österreichischen Museum für Kunst und Industrie. Diese
Gemälde sind Bestandteile der großen, mindestens dreizehn
bändigen Geschichte Hamzas, des ins Persische übersetzten
berühmten Ritterromanes (Hamza näme). 1 Siegehören zweifel
los zu demselben Exemplar, das auf Befehl des Baberiden-Groß-
mogul Dschelal ed-din Schah Akbar, 1556—1605, unter
1 Sie wurden im Jahre 1873 auf meinen Vorschlag von Rudolf von
Eitelberger für das Österreichische Museum erworben und von mir
schon damals inhaltlich und zeitlich bestimmt.