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II. Abhandlung: Redlich-Sehönbach.
Deutung von Römerorten, die in der Vita Severini genannt
werden. Ebendorfer identifiziert Comagenis mit Tulln und
schließt dies aus einem Privileg für die Passauer Kirche, wor
unter jenes Ludwigs des Deutschen von 834 gemeint sein wird.
Favianis aber hält er für Wien und zitiert hiefür die Urkunde
Herzog Heinrichs II. von Österreich für Admont (von 1169,
nicht 1158), die er selbst gesehen, sowie jene für das Wiener
Schottenstift (1158 und 1161). In der Tat kommt in diesen
Urkunden die Anschauung zum Ausdruck, die um die Mitte
des 12. Jahrhunderts am Hof der Babenberger begünstigt wurde,
daß nämlich die Ruinen der Römerstadt, auf der Wien, die
neue Residenz, stand, das alte Favianis der Vita Severini seien.
Der Bruder Herzog Heinrichs, der berühmte Otto von Freising,
hat in seiner Weltchronik (VI, 30) ebenfalls diese Ansicht aus
gesprochen und auch diese Quelle war Ebendorfer sehr wohl
bekannt. So ist Ebendorfer einer derjenigen, der diese gelehrte
Fiktion im 15. Jahrhundert zuerst wieder aufnahm. 1
Das lebhafte Interesse, welches Ebendorfer der Vita Seve
rini entgegenbrachte, zeigt sich darin, daß er sie in seinem
Legendär nicht weniger als viermal berücksichtigte. In Band II,
fol. 18—22 ist eine Fassung mitgeteilt, welche man als eine
kürzende Bearbeitung der Vita bezeichnen kann. In Band III,
fol. 242’—243’ steht eine Zusammenfassung einiger Stellen der
Vita für kirchlich erbauliche Zwecke. In Band IV, fol. 57—61
ist endlich eine vollständigere Form gebracht, die auf einen
der besten Handschriftengruppe der Vita angehörigen Text
zurückgeht. 2 Doch fehlen ihm nicht bloß die Briefe des
Eugippius und Paschasius sowie das Kapitelverzeichnis, sondern
auch eine Reihe von Kapiteln; er schließt mit Kapitel 43. Da
1 Übel- die Favianis-Frage — heute ist sie für Mauteru entschieden — vgl.
zuletzt F. Kenner in der Gesell, d. Stadt Wien (hg. vom Wiener Altertums
verein) 1, lö2ff. und Vancsa, Gesell. Nieder- und Oherösterreichs 1, 95. Die
Überschrift der Vita Severini im Legendär IV, fol. 57, sonst gleich der
oben angeführten Überschrift der Nachträge auf fol. 252’, hat zu Severini
noch den Beisatz: quondam ut quidam dicunt Ravennatensis episcopi,
welcher direkt auf Otto v. Freising hinweist. Über Ottos Weltebrouik
als Quelle Ebendorfers vgl. Pribram in Mitt. d. Instituts Ergbd. 3, 63 ff.
2 Über die Handschriften der Vita vgl. Knüll in Wiener SB. 95, 415ff. und
in seiner Ausgabe im Corp. script. eccles. Latin., 9. Bd. und Mommsens
Ausgabe (1898).