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X. Abhandlung: Mussafia.
nur ,heraus wickeln', wenn also rensevelir sowol ’6S als ’70
dieselbe Bedeutung hat, so wird man ,wiedereinwickeln' vor
ziehen. Nicht ausgeschlossen ist die dritte Möglichkeit, dass
’68 rensev. die eine, ’70 die andere Bedeutung habe, 1 ,als man
sie wieder einsargte, wickelte man sie in ein Tuch ein'. 2 Noch
leichter ginge dies an, wenn man die Lesung in S nicht als
Ergebniss bedachter Besserungssucht ansähe, sondern annähme,
dass der Schreiber ’69-’70 aus Versehen übersprungen hat:
,Thess. salbt den Leib und legt ihn wieder in den Sarg; die
Damen wickeln ihn ihrerseits in ein Tuch ein'.
Zu der Erzählung des Scheintodes macht F. gegen den
Dichter manche Einwendungen. So
6223 ff. Es ist sehr auffällig, dass Cliges nichts von dem Schlaf
trünke weiss; man sollte doch annehmen, dass er in alles eingeweiht
gewesen. Denn wie kann er sich sonst den Scheintod erklären und
überhaupt hoffen, dass sie wieder aufleben kann, wenn er davon
nichts weiss?
Wir müssen uns in den kindlichen Standpunkt hinein
denken, nach welchem es genügt, dass einer sich stumm und
regungslos hinstreckt, damit er als todt gelte; die Leute
kommen, beweinen und bestatten ihn. Hat er vorher eine
Krankheit geheuchelt, so hat er ein Uebriges gethan. Auf
diesem Standpunkt steht ja auch Fenice beim ersten Aushecken
des Planes. So sagt sie zu Cliges 5333: ,je me voldrai feire
morte, malade me ferai und du wirst kommen und mich aus
dem Grabe holen', 3 und der Amme gegenüber 5436: si li a
dit et recorde qu’ eie se viaut malade faindre et .. qu’ a la fin
morte se fera, et Cliges la nuit V amblera. Der Schlaftrunk
ist nur eine Zuthat, die allerdings zur Belebung der Erzählung
wesentlich beiträgt. Cliges weiss also Alles, was er zu wissen
braucht, sich die so einfache Sache zu ,erklären' fühlt er kein
1 Bei solcher Annahme gewänne ’68 einigermassen an Berechtigung.
2 Wenn also F. ebenso übersetzt, so würde er nicht durch ,Verbergen“
der Wiederholung dem Dichter einen kleinen Dienst erweisen, sondern
dessen Meinung getreu wiedergeben.
3 Am Schlüsse der soeben angeführten Anmerkung sagt F.: ,Richtig ist,
dass der Dichter es ihm nicht mittheilen lässt, vgl. 5333 ff.“ Fenice kann
von dem Schlaftrünke an dieser Stelle keine Mittheilung machen, weil
sie selbst davon noch keine Ahnung hat.