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v. Kar aj a n. Über Heinrich den Teichner.
SITZUNG VOM 18. OCTOBER 18S4.
Gelesen:
Der Präsident der Classe, Herr v. Karajan, las die Fortsetzung
seiner in der letzten Sitzung begonnenen Abhandlung über den öster
reichischen Dichter des vierzehnten Jahrhunderts „Heinrich den
Teichner“.
Er wies nach, wie die von ihm vorgeführten geschichtlichen
Belege zur Bestimmung der Lehenszeit des Dichters und namentlich
der Dauer seiner literarischen Thätigkeit willkommen übereinstimmten
mit einer Reihe in seinen Dichtungen allenthalben zerstreuten
Äusserungen über seine Person, besonders über den Eintritt der
nichts weniger als erfreulichen Enttäuschungen und Beschwerden
des höheren Alters.
Hiernach wendet sich die Untersuchung zur Beantwortung der
Frage über die Heimath und den Aufenthaltsort des Dichters. Es wird
gezeigt, dass die Behauptung, Teichner sei ein österreichischer
Dichter, bisher jedes strengeren Beweises ermangelte. Aus der
Sprache allein lasse sich ein solcher auch nicht schlagend führen, da
diese nur im Allgemeinen der bayerisch-österreichischen Mundart
zufalle. Er sei aber bis zu einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit
zu führen aus dem Inhalte vieler Dichtungen Heinrich’s. Ausdrücklich
zu den Österreichern zähle er sich selbst nirgends. Den eben ange
deuteten Beweis stellt hierauf Herr v. Karajan aus einer Reihe
von Äusserungen zusammen, die nur das bezeichnete Ergehniss
gestatteten.
Die weitere Behauptung der Literaturgeschichten, Teichner
habe sich meistens zu Wien aufgehalten, wies er dagegen entschieden
zurück, indem sich aus der genaueren Erwägung der Äusserungen
des Dichters nur schliessen lasse, er habe sich zeitweise in Wien
aufgehalten. Ein bleibendes Verweilen an diesem Orte lasse sich aus
den bis jetzt bekannten Stellen seiner Dichtungen mit Sicherheit
nicht folgern.