XV. Abhandlung: Kirste. Die Aussprache des Visarga.
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XV.
Die Aussprache des Visarga.
Von
Dr. J. Kirste.
1. Um den phonetischen Werth des Visarga, eines Lautes,
der auf indischem Boden aus s oder r hervorgeht, zu bestim
men, wenden wir uns zunächst an die phonetischen Lehrbücher
der Inder. Im Rigveda Prätisäkhya (I, 12 ed. Müller) wird
der Visarga zu den Usmans gerechnet, und zwar zu den ton
losen. Ueber den Mechanismus eines solchen Lautes finden
wir folgende Anweisungen:
Rig. Prät. XIII, 3. 1 svaränusvärosmanäm asprstam sthitam.
Zu ergänzen ist aus dem Vorhergehenden das Wort karanam,
und die Uebersetzung Müller’s lautet: .Für Vocale, Anusvära
und die Usmans gilt verweilendes Nichtberühren/ Der Com-
mentar erklärt sthitam durch: yatra varnasthünam äsritya jih-
vävatistliate tat sthitam ity ucyate, d. h.: ,Wenn die Zunge sich
der Articulationsstelle eines Lautes nähert und (in dieser Lage)
verharrt, so nennt man das sthita. 1 Genauer folgt dieser Er
klärung die Uebersetzung Regnier’s: ,[Cettej (d. h. la formation)
des voyelles, de l’anusvära, des usmans [a lieu] sans tact, [la
langue] posee/ Es findet also bei den Usmans im Gegen
sätze zu den Verschlusslauten, deren lcarana im Vorhergehenden
als sprstam asthitam (Berührung, nicht [blosse] Annäherung
[der Zunge]) bezeichnet worden war, eine Enge in den Mund
organen statt, und wir können daher üsman am Besten durch
,Engelaut' wiedergeben. Mit dieser Definition stimmen auch
die Angaben der anderen Lehrbücher, obgleich die Ausdrücke
oft nichts weniger als klar sind.
1 Bei Müller steht in Folge eines Druckfehlers ^ statt
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXXI. Bd. 15. Abli.
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