VIII. Abh. : Wähle. Ueber d. Verhältniss zwischen Substanz u. Attributen etc. 1
VIII.
Ueber das Verhältniss zwischen Substanz und
Attributen in Spinoza’s Ethik.
Von
Dr. Richard Wahle,
Universitätsdocent in Wien.
I.
Spinoza scheint in seiner Ethik einen eigenartigen Posi-
tivismus, nicht aber einen aus Vernunftsätzen construirenden
Rationalismus, vorgetragen zu haben. Der Umstand schon,
dass er sich der geometrischen Methode bedient hat, spricht für
das Bestehen seiner positivistischen Tendenzen, wie ich in der
Schrift: ,Ueber die geometrische Methode des Spinoza' 1 gezeigt
habe. Nicht um wissenschaftliche Auffindung und Ableitung des
ganzen Wissens aus einem Satze handelt es sich ihm; das läge
ja auch nicht in der Kraft und Art der Geometrie. Auch nicht
das ist seine Absicht, den zeitlichen Hervorgang der Dinge zu
läugnen und nur die Kategorie der immanenten logischen Folge
zuzulassen. Sondern er gebraucht die geometrische Form, um
anzuzeigen, dass sein philosophisches Wissen den Charakter
des geometrischen besitzt. Das will sagen, es soll nicht nach
zurückliegenden Ursachen der Erscheinungen gefragt werden;
es müssen die Verhältnisse einfach beschrieben werden; und,
obzwar es keinen Unterschied in der Sicherheit der Geltung
der einzelnen Erkenntnisse gibt, so sind doch manche leichter
zu gewinnen und, da die von ihnen behandelten Thatsachen
1 Jahrgang 1888 der Sitzungsberichte der phil.-hist. Classe der kais.
Akademie der Wissenschaften in Wien (CXVI. Bd., I. Hft.) und Se-
parat-Abdruck. Wien, Tempsky.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CXVII. Bd. 8. Abk. 1