Bericht über eine wissenschaftliche Reise nach Amerika.
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Von ähnlichen Gedanken und Wünschen beseelt war der
bekannte Reisende und Naturforscher Dr. Moriz Wagner, mit
dem mich seither die innigsten Bande der Freundschaft vereinigt
halten. Wir tlieilten die Vorstudien sowie die Arbeiten, Kosten,
Mühen und Gefahren der Reise selbst. Mein Gefährte hatte vor mir einen
durch vieljährige wissenschaftliche Wanderungen in Afrika, Asien
und Ost-Europa geschärften, vergleichenden Blick in die Naturver
hältnisse voraus, welche auf die Entwicklung des Völkerlebens von
so hochwichtigem Einflüsse sind.
Am 15. Mai 1852 schifften wir uns von Bremen nach New-York
ein. Im Laufe desselben Jahres bis zum Frühjahre 1853 bereisten
wir einen grossen Theil der britischen Resitzungen Nordamerika^
sowie die meisten Staaten der nordamerikanischen Union. Im Inter
esse unseres Reisezweckes trennten wir uns vielfach zu ergänzenden
Forschungen und Arbeiten. Auch die übergrosse, räumliche Aus
dehnung des Territoriums, in welchem wir allenthalben wenigstens
einige Reiträge zu unseren Studien sammeln wollten, nöthigte uns
zu dieser periodischen Trennung. Vor Allem wichtig erschien uns
nämlich der Besuch jener Theile des grossen nordamerikanischen
Continents, welche von anderen Reisenden noch wenig durch
wandert und beschrieben waren und mit dem Interesse der Neuheit
zugleich für die Natur- und Völkerkunde, für die Zukunft der Coloni-
sation und des Handels unserer Beobachtung anziehende Seiten dar
boten.
Nachdem ich einige Zeit in den Staaten New-York, Pennsylva-
nien und Ohio verweilt, auch die Niagarafälle, das grösste malerische
Wunder der nordamerikanischen Landschaftsnatur besucht und einen
kurzen Ausflug nach Ober-Canada gemacht hatte, schiffte ich durch
den Erie- und Huronsee nach dem Lake Superior , dem grössten
Süsswassersee der Welt, welchen meines Wissens noch kein deutscher
Reiseschriftsteller vor mir besucht und geschildert hat. An seinen
herrlichen Ufern verweilte ich fast einenMonat, um in die zahlreichen
Kupferbergwerke einzufahren, in denen das Metall vielfach in gedie
genem Zustande vorkommt, und die verschiedenen, meist völlig un
bewohnten Inseln dieses wunderbaren Wasserbeckens zu besuchen.
Meine Absicht, von Fond-du-lac bis zur Quelle des Mississippi,
von der ich nur noch 200 englische Meilen entfernt war, vorzudringen
scheiterte an der vorgerückten Herbstzeit.