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Sauer.
welche unter anderen längeren oder kürzeren zerstreut sich in
reimlosen Gedichten finden, habe ich nicht berücksichtigt; aus
diesem Grunde auch die Singspiele und Melodramen nicht heran
gezogen: die einzige Ausnahme, die bei Wieland gemacht
wurde, rechtfertigt sich von selbst. Wo Wiederholung überflüssig
schien, habe ich auf Zarncke verwiesen; die Termini sind die
selben, die er gebraucht; nur der Begriff des Hiatus ist seither
durch Prof. Seherer’s Untersuchung genau festgestellt worden. 1
Die grösseren Zahlen -sind in runder Summe aufgeführt, die
kleineren durften nach mehrmaliger Prüfung als genau an
gesehen werden; wo absolute Vollständigkeit in Aufzählungen
angestrebt wurde, ist dies ausdrücklich bemerkt.
1. Gottsched.
In dem Briefwechsel, welcher sich im Jahre 1738 zwischen
Gottsched und dem Grafen E. Chr. von Manteuffel über
die Zulässigkeit ,ungereimter' Verse im Deutschen entspann, ist
eine Aeusserung Gottsched’s sehr wichtig, indem uns dieselbe
den Standpunkt genau bezeichnet, den er sein ganzes Leben
innegehalten hat; er gibt zu, dass die gereimten Verse den
Ohren besser gefallen als ungereimte. ,Aber ich bin auch
niemals der Meinung gewesen, dass man im Deutschen alle
Reime abschaffen solle. Nur Uebersetzungen der alten und
ausländischen Poeten, worin ohnedies so viel Zwang ist, sollten
von Rechtswegen dieses Vorrecht haben, ohne Reime zu er
scheinen, bis etwa die Ohren der Deutschen diese Art gewohnt
würden, und irgend einmal ein grosser Dichter aufstände, der
Geschicke, Feuer und Plerz genug hätte, ein Heldengedichte
oder ein Trauerspiel ohne Reime zu machen' (Danzel, Gottsched
und seine Zeit S. 29). Es ist derselbe Gedanke, den er schon
1730 in der Critischen Dichtkunst (S. 312) ausspricht: ,Wie ein
Mil ton in Engelland ein ganz Heldengedicht ohne alle Reime hat
schreiben können, welches itzt bei der ganzen Nation Beifall
findet: so wäre es ja auch im deutschen nicht unmöglich, dass
ein grosser Geist etwas neues in Schwang brächte'.
1 Ueber den Hiatus in der neueren deutschen Metrik: Commentationes
philologae in honorem Theodor! Mommseni (Berolini 1877) S. 213—226.