Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 8. Band, (Jahrgang 1852)

Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 in Tirol. 
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Kraft göttlichen Gebotes schuldig sind, der Stimme unseres 
Hirten zu folgen, das zweite nicht, weil wir uns von dem Bischöfe zu 
Chur so lange nicht trennen dürfen, als wir nicht nach k i r c h 1 i c h e n 
Gesetzen von ihm entlassen sind.” 
Nun folgte Gewaltthat auf Gewaltthat. Um kräftiger durchzu 
greifen , ernannte das General-Landes-Commissariat den königlichen 
Hofrath und functionirenden Kreishauptmann im Pusterthal, Herrn 
von Hofstetten, zum Specialcommissär in der geistlichen Ange 
legenheit, und erwartete von seiner Thätigkeit und Klugheit, dass 
er dem Vertrauen entsprechen werde. Hofstetten war dem über 
tragenen Geschäfte, wenn dessen Endziel Gewaltstreiche waren, 
vollkommen gewachsen; er war, wie ich schon früher bemerkte, ein 
junger Mann, nicht ohne Talente; er hatte ja den Spaurischen Hir 
tenbrief ins Deutsche übersetzt und mit nachhelfenden Noten beglei 
tet, und sogar ein Gebet für den König von Baiern verfasst, welches 
im Bezirke seines Commissariats von allen Kanzeln den Gläubigen 
vorgesagt werden musste; übrigens war er ein unbesonnener, hefti 
ger, und mehr als jugendlich leichtsinniger Mann. Noch erzählen die 
Bürger von Meran, wie er sich mit den baierischen Offieieren nach 
Art der Gassenjungen in der Stadt herumtrieb, und einst, als er spät 
Nachts von Abenteuern in das Gasthaus zurückkehrte, von einigen 
Burschen auf dem Pfarrplatze in den Brunnen getaucht wurde. 
Dieser Hofstetten erschien in Militärbegleitung und mit sei- 
sem deutschen Hirtenbriefe in der Hand am 26. December in Meran, 
und hatte den Auftrag, den Klerus zur Unterschrift derselben Decrete 
aufzufordern, die dem Pro-Vicar Patscheider vorgelegt worden 
waren, und im Weigerungsfälle mit Temporaliensperre und Deporta 
tion vorzugehen. Die Verhandlungen zwischen ihm und dem Klerus 
gewähren ein höchst anziehendes Bild; ich kann aber der Kürze 
wegen nur einzelne Züge daraus hervorheben. Der Klerus erschien 
unter Vortritt des Provicars Pat scheid er, des Priesters Lutz 
und des Bectors der kön. Mittelschule Benedict Langes, vor dem 
Commissäre. Als dieser beim Namen eines gewissen Priesters an 
ein Fräulein erinnert wurde, das er in Bruneck kennen gelernt, wurde 
die Versammlung eine Viertelstunde lang mit dem Lohe auf dessen 
herrliche Eigenschaften unterhalten; dann begann die Aufforderung 
zur Unterschrift mit einer Rede, worin Hofstetten die Macht sei 
nes Königs, das hohe Vertrauen der Regierung auf seine eigene
	        
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