Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 88. Band, (Jahrgang 1877)

Dcinosthenisclie Studien. II 
429 
jeder Bürger nicht gebunden noch beeinflusst durch ein Votum 
von welcher Seite immer rathen und beantragen sollte, was das 
Interesse des Staates zu erfordern schien 1 und dass so dem 
Demos die Initiative und erste Entscheidung theilweise zurück 
gegeben ward, die er für gewöhnlich in die Hände eines 
kleineren Vertretungskörpers, der Bule, gelegt hatte. 
Es dürfte nun auf den ersten Blick kühn erscheinen, 
diese Art des Verfahrens ohne weiteres auf einen Theil der 
laufenden Geschäfte wie die Verhandlungen mit Gesandten 
auswärtiger Staaten zu übertragen und anzunehmen, dass wie 
bei gerichtlicher Verfolgung von Staatsverbrechen und beim 
Ostrakismos ein Präjudiz der Ekklesie erforderlich war, so 
bei der Einführung von Gesandten und der Verhandlung über 
ihre Botschaft erst die Vorentscheidung des Volkes eingeholt 
werden musste; ja man müsste vielleicht diese Vorfrage auf 
Fälle von besonderer Wichtigkeit oder strittiger Competenz 
wie die Botschaft des Dionysios und die philippischen Friedens 
verhandlungen beschränken, wenn nicht ein weiteres Zeugniss 
für den terminus ttpo/eipoToveiv dringend dazu aufforderte, indem 
es gleichfalls die harpokrationische Interpretation klärlich aus- 
schliesst. Aeschines theilt in der RgTimarch § 23 ein Stück 
jenes alten Gesetzes mit, welches die ekklesiastische Praxis 
regelte: y.ai xß? zeXeusi touc spoeBpou? ^pTip-ax^siv; erceioav t'o /.aGdpciov 
Trspievs/Ovj y.ai 6 xvjpui; xa? ttaTptcui; sü/ap su?Y)Tai, trpo/e tpoxov sTv 
y.sXsusi toi>s xrpoeäpou^ -Trspt tepwv töv xaxptwv y.at ocüov y.at y.vjpuljt 
y.at xpscßetatc, y.at p.exa xaux’ sixsptoxa 6 y.ijpu^ xii; ayopsuetv; ßoüXexat 
xwv iwsp TiEWr5 X0VTa e'v tsyovoxwv. Es mag zunächst hier noch 
unentschieden und ununtersucht bleiben, ob in den Worten tu; 
äyopeüsiv ßoüXsxat, der stehenden Formel für Eröffnung der De 
batte, 2 an Verhandlungen über die Gegenstände der Procheiro- 
tonie zu denken und ob mit den hier bezeichneten Gegenständen 
der ganze Umfang der der Procheirotonie unterworfenen. Ange- 
1 Die öffentlichen Urkunden über den Act der Procheirotonie enthielten 
demnach keinen Namen eines in Aussicht genommenen Candidaten des 
Ostrakismos; diejenigen über die Abstimmung nur einen, den des Ver 
bannten. Daher denn die Tradition über den letzten Ostrakismos schon 
kurze Zeit, nachdem er stattgefunden hatte, sich in unsicheren Ver 
muthungen über die Personen, auf die es abgesehen war, ergehen konnte. 
2 Dem. Rvkr. § 170, Aesch. RgKtes. § 23, Aristoph. Ach. 45. 
Sitzungsber. d. phil.-Mst. CI. LXXXVIII. Bd. II. Hft. 28
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.