Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 88. Band, (Jahrgang 1877)

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Lorenz. 
Zweigen der Forschung, zu anderen Doctrinen, zur Philosophie 
und zu den Staatswissenschaften einnimmt. 
In solcher Vereinzelung und Besonderheit liegt heute auch 
das grosse schriftstellerische Leben des Mannes hinter uns, der 
zu den gelesensten und bekanntesten Geschichtschreibern 
Deutschlands zählte. Seine eigenen Anknüpfungspunkte an die 
Entwickelung des geistigen Lebens der Nation, sein Ausgang 
von der grossen Bewegung der Literatur, sein Eintritt in die 
Werkstätten der geschichtlichen Forschung sind so unsicher 
und liegen so wenig zu Tage, dass wir es für ein kritisches 
Unteniehmen halten müssen, die Anregungen zu bezeichnen, 
von denen er erfüllt war, und die Keime zu erforschen, aus 
denen seine geistigen Blüthen erwuchsen. Wie er aber gleichsam 
ohne sichtbare Verbindung mit der vorangegangenen histo 
rischen Literatur erscheint, so bietet Schlosser hinwieder schon 
heute vermöge seiner gesammten politischen und philosophischen 
Weltanschauung fast gar keine Anknüpfungspunkte dar, ist fast 
gänzlich von den Bücherbrettern der Gelehrten verschwunden, 
und wenn man ehrlich sein will, so darf uns die Hochachtung 
vor ihm nicht verhindern zu sagen, dass unser ganzes heutiges 
wissenschaftliches Denken und Forschen nur mit höchst un 
bedeutenden und schwachen Fäden zu ihm zurückführt. 
Kann man sich unter diesen Umständen wundern, dass 
gleich an dem Grabe des Mannes, der sich als Achtzigjähriger 
den verbreitetsten Historiker Deutschlands nennen durfte, ein 
gewaltiger Kampf um seine Bedeutung, ja selbst um seine 
Berechtigung leider in der Weise geführt wurde, dass seine 
Anhänger die abscheulichsten Angriffe gegen einige andere 
deutsche Geschichtschreiber eröffneten. 1 Und darf man sich 
wundern, dass nach weiterem Verlauf von fast zwei Decennien 
1 Als Ausgangspunkt der heftigen Gegensätze, welche die Geschichtschreiber 
Deutschlands eine Zeitlang in zwei Parteien theilten, gilt gewöhnlich Ger- 
vinus’ Schrift über die Grundziige der Historik, Leipzig 1837, worin 
weniger der S. 82 yorkommende Satz: dass man Schlosser’s Werke allein 
in der Literatur als Früchte des allgemeinen europäischen Lebens nennen 
könne, als vielmehr das, was er über die pragmatische Geschichtschreibung 
S. 53 ff. bemerkte, Anlass zu leidenschaftlichem Streite gab. Darüber wurde 
denn nur zu sehr übersehen, wie vieles Vortreffliche in der kleinen Schrift 
steht. Nur darf mau darin kein consequentes System suchen. Gcrvinus
	        
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