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Loren z.
braucht eine Reihe von einst klingenden Namen nur auszu
sprechen, um den Satz zu beweisen, dass unser kritisches Urtheil
über die umfangreichsten Leistungen auf dem Gebiete der
Geschichte in einem heftigen Schwanken begriffen ist, welches
durchaus nicht blos auf den natürlichen Fortschritt der Wissen
schaften allein zurückgeführt werden kann. Muss aber das
Ansehen der Wissenschaft nicht darunter leiden, wenn selbst
in den elementarsten Richtungen derselben keinerlei Stetigkeit
wahrzunehmen ist und wenn der Strom der wissenschaftlichen
Einsicht stets das Bild einer zackigen, ungeraden und selbst
rückläufigen Bewegung bietet. Für die nachfolgende historische
Production fehlt jeder sichere Haltpunkt, der in dem Urtheil
über die frühere begründet wäre und es ist ein Zeitraum von
wenigen Jahren, welcher für die Geschichte der Historiographie
im Grossen kaum noch massgebend wäre, seit eine etwas
grössere Continuität und Stetigkeit in den Anschauungen von
Generation zu Generation hervorzutreten beginnt. Aber auch
da nur mehr in Betreff der äusseren Fertigkeiten als in Ansehung
der inneren Fragen der geschichtlichen Wissenschaft. Von den
Gelehrtenkreisen aus verbreitet und verstärkt sich das Schwanken
der Urtheile in das grössere Publicum. Männer, deren histo
rischem Griffel noch eben gehuldigt wurde, sieht man noch vor
ihrem Tode zu den Todten geworfen, und was nicht selten als
höchste historische Leistung gilt, ist im nächsten Augenblicke
bei Seite gesetzt. Während die Einen noch die Grabschrift dem
,deutschen Tacitus' schrieben, belächelten die Anderen den Werth
seiner Schriften, und während man noch Jubiläen feierte, wussten
die Jüngeren schon die Verkehrtheit eines alten Meisters haar
scharf zu beweisen. Man mag sich hiebei mit dem Fortschreiten
der Wissenschaft trösten oder brüsten, man mag die Rührigkeit
bewundern, welche es möglich macht, dass morgen schon ver
altet, was gestern neu war, man mag nichts Anderes als ewig
strömenden Forschungseifer darin erkennen, wenn rücksichtslos
verdammt wird, was der erkannten oder erkennbaren Wahrheit
nicht völlig Stand hält. Aber auch die Nachtheile wissen
schaftlicher Entwickelung sind leicht zu ermessen, welche daraus
entstehen müssen, wenn auch nicht einmal in den Hauptzügen
die Aufgaben der Forschung für eine längere Epoche geistiger
Thätigkeit, wenn nicht im grossen und ganzen die Auffassung