Ueber die Quellen der deutschen Wirtschaftsgeschichte.
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in Massenzahlen und messbaren Grössen als in Einzelschilde
rungen und unbestimmteren Nachrichten Aufschlüsse über
frühere Zustände und Vorgänge der Wirthschaft bieten. Hier
beginnt die eigentliche Aufgabe der Wirthschaftsgeschichte.
Wie wenig aber dafür noch bis jetzt geleistet, wie weit
die wissenschaftliche Arbeit in der Nationalökonomie noch
davon entfernt ist, wahrhaft historisch zu sein, das ist wohl
nicht drastischer und überzeugender zu erweisen, als durch die
Thatsache, dass sie noch nicht einmal einen ungefähren Ueber-
blick über die Quellen besitzt, aus welchen diese historische
Kunde geschöpft werden muss. Es wird nicht gewagt sein,
zu behaupten, dass weder in der ganzen weitläufigen Literatur
der Nationalökonomie, noch der verwandten Disciplinen der
Rechts- und Staatslehre, aber auch ebensowenig in der ganzen
historischen Literatur irgend ein Versuch existirt, die Quellen
der Wirthschaftsgeschichte zu bezeichnen und auch nur ganz
ungefähr in Bezug auf die Sicherheit und Lauterkeit ihrer An
gaben, ihr Alter und ihr Geltungsgebiet zu untersuchen.
Dabei soll in keiner Weise verkannt werden, was die
Wissenschaft in der Richtung auf ein historisch begründetes
Verständniss unserer Wirthschaftszustände bisher geleistet hat.
Die historische Arbeit auf dem Gebiete der Nationalökonomie
hat sich seit langer Zeit und in keineswegs unfruchtbarer
Weise bemüht, sowohl die lange bekannten Thatsachen der
Entwickelung unserer materiellen Cultur unter grossen leitenden
Gesichtspunkten zusammenzufasseu, als auch neue ökonomisch
wichtige Thatsachen aus der Vergangenheit an’s Licht zu
stellen.
Von Bacon und Montesquieu bis auf List, Hegel und
Stein ist diese im Geiste einer Philosophie der Geschichte ge
haltene wirthschafts-wissenschaftliche Geschichtsconstruction be
strebt, uns den Zusammenhang der Ereignisse und die Ursäch
lichkeit ihrer Aufeinanderfolge zu deuten; aber bei der
Dürftigkeit unseres positiven historischen Wissens über die
Wirthschaft vorausgegangener Geschlechter ist diese Richtung
doch nicht viel weiter gekommen, als zu einer historischen
Kategorisirung, deren schematische Constructionen theils un
befriedigt lassen, weil sie gegenüber dem Rcichthum der ge
schichtlichen Bildungen allzu dürftig sind, und theils geradezu