Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 83. Band, (Jahrgang 1876)

Die beiden Handfesten König Rudolfs I. für die Stadt Wien. 
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Ein weiteres formelles Bedenken wenigstens gegen die 
Urkunde a hat Lorenz S. 21 hervorgehoben. Er legt ein 
solches Gewicht darauf, dass er es allein für hinreichend an 
sieht um auch der Urkunde a jeden Grad von Glaubwürdigkeit 
in der vorliegenden Form abzusprechen. In dem Eingänge 
der Urkunde a sagt nämlich K. Rudolf innovantes et confir- 
mantes eisdem (den Bürgern von Wien) cmtiqüäs quaslibet liber- 
tates et omnia jura, que sibi a dive memorie Friderico Roma- 
noruvi imperatore, predecessore nostra concessa comperivius, 
etiam ex plenitudine regie potestatis adjicientes hiis alia nova 
veteribus, juxta quod in sequentibus elucescit. Wie müsse man 
aber, sagt Lorenz, höchlich erstaunen in der Urkunde die modi- 
ficirten Statuten H. Leopolds VI. und nicht, wie er in diesem 
Eingänge sagt, das Privilegium K. Friedrichs II. zu finden? 
Es sei dies also ein offenbarer Widerspruch. 
Allein es ist nicht schwer dieses Bedenken vollständig 
zu zerstreuen. Es konnte vielleicht befremden in einer Urkunde 
vom 20. Juni 1278 schon eine Hinweisung auf eine erst vier 
Tage später ausgestellte, vom 24. Juni zu finden. In einer 
an demselben Tage (24. Juni) mit einer andern, wahrscheinlich 
den Bürgern zu gleicher Zeit übergebenen Urkunde enthält 
eine solche allgemeine Hinweisung auf den Inhalt der letzteren 
nichts Befremdendes. Beide Urkunden, obwohl aus graphischen 
Gründen von einander getrennt, bilden doch nur ein grosses 
Ganze, das in zwei Theilacte zerfällt. Allerdings ist es wahr, 
dass die Urkunde a sich durchaus dem Gange der Leopoldi- 
nischen Statuten anschliesst. Das meint auch K. Rudolf, wenn 
er sagt, er habe den Wiener Bürgern 1. antiquas quaslibet 
libertates, also ihr altes Gewohnheitsrecht, das in den landes 
fürstlichen Pi'ivilegien eine Aufzeichnung erhalten hatte, be 
stätigt und erneuert. Dasselbe hat er aber auch 2. mit den 
vom K. Friedrich den Wienern ertheilten neuen Stadtfreiheiten et 
omnia jura etc., gethanund hat sie noch mit einigen neuen Frei 
heiten vermehrt, die in dem Friedericianum noch nicht enthalten 
waren. Diese bilden nun den Inhalt der Urkunde b, wie 
wirklich aus der Betrachtung beider Urkunden hervorgeht. 
Wahrscheinlich bezog Lorenz beide Ausdrücke antiquas quaslibet 
libertates ebenso wie et omnia jura etc. auf das Friedericianum, 
während die ersteren Worte doch offenbar getrennt aufzufa'ssen 
Sitzungsber. d. pkil.-hist. CI. LXXXIII. Bd. II. Hft. 23
	        
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