l)ie beiden Handfesten König liudolfs I. für die Stadt Wien.
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Wir können das Urtheil darüber getrost einem Jeden
überlassen, der sich die Mühe geben will, beide genau zu ver
gleichen. Er wird finden, dass Wortlaut und Reihenfolge der
Artikel in der Regel hei Albrecht II. und Rudolf I. dieselben
sind. Einzelne Abänderungen erklären sich natürlich durch
die mittlerweile eingetretenen Veränderungen, z. B. die ver
schiedene Fassung des a. 58 in Folge der Veränderungen in
dem Niederlagsrecht durch die Urkunde des Grafen Albrecht I.
vom J. 1281. Die Bestimmungen des Friedericianischen Stadt
rechtes vom J. 1244, die angeblich Albrecht II. in sein Stadt
recht wieder aufnahm, erscheinen ebenfalls in dem corrigirten
Texte des Rudolfinum. Die neuen Bestimmungen endlich
kommen grösstentheils wörtlich bereits in den Kremser
Urkunden von 1305 als Wiener Recht bezeichnet vor.
Daraus geht hervor, dass das Stadtrecht vom J. 1340 kein
neues Recht schuf, sondern dieses Recht, das H. Albrecht II.
neu verzeichnen liess, bereits zu H. Albrechts I. Zeiten, also
am Ende des XIII. Jahrhunderts verzeichnet war. Sagt jener
doch selbst in seiner Handfeste: Wir nemen auch den ob
genanten unsern purgern ze Wienn mit der hantfest nicht ab
die recht, die in irr alten hantfest geschriben stent.
Diese bisher ganz unbekannte Thatsache wird uns durch die
Kremser Urkunden erschlossen. Wenn sich auf diese Art aus
unseren Kremser Urkunden mit Sicherheit ergibt, dass die uns
vorliegende Urkunde a das echte Privilegium K. Rudolfs I.
für Wien ist, dass sie II. Albrecht I. bestätigt, ins Deutsche
übersetzt und mit neuen Bestimmungen versehen hat, dass das
Stadtrecht H. Albrechts II. vom J. 1340 kein neues Stadtrecht
sondern blos eine Bestätigung und Erneuerung des verloren
gegangenen Stadtrechtes H. Albrechts I. ist, so erhellt hieraus
die ungemein grosse Wichtigkeit, die sie für die Rechts
geschichte Wiens und des ganzen Rechtskreises, der durch das
Stadtrecht von Wien beherrscht wird, somit für die Geschichte
eines grossen Theils des österreichischen Städtewesens haben.
Sie verbreiten dort erst ein klares Licht, wo wir bisher im
Dunkeln herumtappten, sie schaffen uns erst einen festen
Boden, auf dem wir fortan bei der Darstellung des städtischen
Rechtslebens sicheren Schrittes fortzuschreiten im Stande sind.