Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 77. Band, (Jahrgang 1874)

Heber die Entstellungszeit des Schwabenspiegels. 
859 
wird, ist natürlich nicht, abzusehen, wesshalb das bei der Ge 
sammtbelehnung nicht ebenso platzgreifen soll, wie in andern 
Fällen. Wir werden eher zu sagen berechtigt sein, es scheint 
das so selbstverständlich, dass es auffallen kann, dass der 
fepiegler es für nöthig hält, den Fall besonders zu erwähnen. 
Und das um so mehr, als dieser Fall zweifellos nur höchst 
selten vorkam. Die Gesammtbelehnung ist zu fassen als eine 
durch Billigkeitsrücksichten veranlasste Abweichung vom älteren 
strengeren Recht; ihr Zweck ist einmal, für den Unterhalt 
mehrerer Brüder zu sorgen, dann beim erblosen Tode des einen 
Bruders den lehnsfähigen Nachkommen der andern Erbrecht 
zu gewähren, das Gut dem gesammten Mannsstamme zu er 
halten. Beim geistlichen Bruder entfallen diese Gesichtspunkte; 
für seinen Unterhalt war in der Regel durch Pfründen genügend 
gesorgt, und wenigstens lehnsfähige Nachkommen konnte er 
nicht hinterlassen. So wird der Fall der Gesammtbelehnung 
des Pfaffen mit dem Bruder ein so seltener gewesen sein, dass 
es, wenn auch immerhin möglich, doch sehr unwahrscheinlich 
ist, dass der Spiegler ohne bestimmtere Veranlassung auf ihn 
verfallen sein sollte. Deuteten nun unsere früheren Ergebnisse 
auf das Jahr 1275, lässt sich weiter nachweisen, dass gerade 
in diesem Jahre ein solcher Fall viel besprochen sein muss, 
so wird der Schluss doch kaum zu gewagt sein, dass eben 
dieser Fall die Angabe beeinflusst haben wird. 
Es handelt sich um den Fall Philipps von Kärnthen, den 
einzigen im ganzen Jahrhunderte, bei welchem in Fürsten 
häusern die Mitbelehnung eines geistlichen Bruders vorkommt. 
Es hat sich in Abschrift eine Urkunde erhalten, durch welche 
König Wilhelm 1249 auf Bitten Herzog Bernhards dessen 
Söhnen Ulrich und Philipp, Erwähltem von Salzburg, das 
Herzogthum Kärnthen in solidum leiht, so dass, wenn Ulrich 
ohne lehnsfähige Nachkommen stirbt, Philipp das Herzogthum, 
wie andere Herrschaften und Würden seines Vaters erhalten 
soll, ad que et qnos opere divina feliciter gubernandos habilitamus 
te de nostre plenitudine regle potestatis, quiescente prorsus obiectu, 
quod in Saltzburgensem archiepyscopum es electus, consecrandus 
aut etiam consecratus, ac quavis legalia contraria non obstante; 
Böhmer Acta selecta 297. Ich habe schon früher die Echt 
heit der Urkunde zu verthejdigen gesucht; vgl. Reichsfürsten-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.