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Scherer.
wir einen kalten gewaltthätigen Staatsmann als Verfasser eines
Liebesliedes kennen lernen, so spricht die überwiegende Wahr
scheinlichkeit dafür, dass er es als junger Mensch gemacht
habe. Am einfachsten sieht man darin einen Nachklang jenes
Maifestes von Mainz, auf welchem der Neunzehnjährige das
Schwert nahm. Die conventioneilen Formen des Turniers wären
nicht vollständig gewesen, wenn der junge König nicht einer
Dame seine Huldigungen erwies. Und wenn je in seinem
Leben äussere Anregung zu poetischer Production vorhanden
war, so war es damals. Er mag die Strophen im Juli oder
August 1184 auf dem Wege gegen Polen (Toeche S. 33) ge
dichtet und der Dame seines Herzens an den Rhein gesandt
haben.
6, 5 ,Mir hat ein ritter‘ sprach ein wip
Audi dieses Gedicht möchte der österreichischen Schule
zuzuweisen und zunächst an Dietmar von Aist anzulehnen
sein. Der dienest ist bereits eingeführt. Das Metrum kann man
so entstanden denken: sechszeilige, stumpfgereimte Strophe,
Zeilen von vier Hebungen, stumpfe Waise vor Z. 1. 2. 6. Die
Waisen vor Z. 1. 2. dann durch überschlagende Reime ersetzt.
Der Reim noch ungenau: wip : zit.
Dieselbe Ungenauigkeit in dem folgenden Gedichte von
drei Strophen, worüber §. 10. Der Reim wip : zit gehört zu
den letzten ungenauen, die sich überhaupt verlieren. Er war
mit der ältesten Technik des Minneliedes, so weit sich darin
Liebes- und Naturgefühl mischen, viel zu enge verknüpft, als
dass die Dichter leicht lernen sollten, ohne ihn auszukommen.
§. 2.
Der Kürenberger.
Mit ihm beschäftigt sich meine Abhandlung in der Zeit
schrift für deutsches Alterthum Bd. 17, 561—581. Ich ver
suchte nachzuweisen, dass die unter diesem Namen in C über
lieferte Sammlung als anonym angesehen werden müsse. Der
Ton 7, 19 ff., die Nibelungenstrophe, ist nach meiner Ansicht
die 8, 5 erwähnte Kürenberges wise: die Melodie wurde von