Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 77. Band, (Jahrgang 1874)

Deutsche Studien. II. 
449 
Vielleicht sind die Producte einer früheren Entwicklungsepoche 
hier in den Anhang verwiesen? 
Wir werden Dietmar von Aist näher betrachten. Er ist 
so sehr eine Uebergangsgestalt, dass man zweifeln kann, ob 
alles ihm Zugeschriebene auch wirklich von ihm herrührt. 
Aber so starke Gegensätze, wie zwischen den vier ersten und 
den vier letzten Strophen Kaiser Heinrichs, finden sich bei 
ihm nicht. 
Wenn wir von Kaiser Heinrich Gedichte hätten aus der 
Zeit vor der romanischen Einwirkung, so wären sie die ein 
zigen ihrer Gattung; denn für die rheinische Poesie sind 
Hausen und Veldeke unsere Anfänge. Was ihnen vorausliegt 
kennen wir nicht, wir können höchstens darauf schliessen aus 
ihnen selbst. Man vergleiche einmal die ältesten Gedichte 
(MF. 48, 23 ff. 48, 32 ff.) Friedrichs von Hausen, dessen 
Schule (nach Miillenhoff Zs. 14, 142) jedenfalls noch in die 
siebziger Jahre fällt, mit den hier vorliegenden. Wenn Fried 
rich von Hausen in seinen Anfängen so dichtete, ist es mög 
lich, dass dann der junge Heinrich sich zuerst in der Art des 
Dietmar von Aist vernehmen liess? Alles, was wir von der 
Entwicklung unserer Lyrik wissen , widerspricht auf das ent 
schiedenste. 1 
Wir besitzen mithin nur ein Lied von dem Kaiser Hein 
rich, und die naheliegende Vermuthung, dass uns andere ver 
loren seien, ist mindestens überflüssig. Hätte es solche gege 
ben , so würde ' man sie sorgfältig bewahrt haben. Und wäre 
Heinrich ein professionsmässiger Dichter gewesen, so würden 
dm die späteren Kunstgenossen in ihren litterarischen Stellen 
als solchen rühmen. 
Die genauen Reime erlauben die Datirung: nicht vor 
1184. Aber eben mit diesem Jahre beginnt Heinrichs eigene 
politische Thätigkeit, innerhalb deren sich schwerlich Raum 
fand für eine von Poesie umleuchtete Liebesepisode. Wenn 
1 Ich glaube nicht, dass die ganze Frage hiermit abgeschlossen ist. Ich 
will in einer künftigen Abhandlung versuchen, die Liedersammlung des 
XIII. Jahrhunderts so genau als möglich wieder herzustellen, welche 
unseren Hss. B und C zu Grunde liegt. Bei dieser Gelegenheit komme 
ich auf Kaiser Heinrich zurück. Einstweilen möchte ich nur das dak 
tylische Lied sicher für ihn gerettet haben.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.