Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 77. Band, (Jahrgang 1874)

Deutsche Studien. II. 
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ich verzige mich e einer krönet Er hätte mit dem unbestimmten 
Artikel zugleich seinen letzten Dactylus gefüllt. 1 
Die vierte Strophe ist merkwürdig unlogisch. ,Ihr dürft 
mir’s glauben, — sagt der Dichter — ich könnte manchen 
lieben Tag verleben, wenn auch niemals eine Krone käme auf 
mein Haupt: was ich mir ohne sie nicht zutraue/ Also: wenn 
ich die Geliebte habe, so brauche ich keine Krone; wenn ich 
die Geliebte nicht habe, dann empfängt die Krone Werth. 
Diesen Gedanken erwartet man. Aber die Vorstellung eines 
möglichen Verlustes weckt die Gedankenreihe der zweiten 
Strophe wieder auf: mit ihr ein König, ohne sie traurig und 
arm und — um den äussersten Gegensatz eines thronenden 
Herrschers anzuführen — geächtet und excommunicirt. 
Wir haben also ein vierstrophiges — oder, wenn man 
ganz streng sein will, ein dreistrophiges, mit einer weiteren 
Strophe als Einleitung versehenes — sehr charakteristisches 
Gedicht von dem Staufer Heinrich, dem Sohne Friedrichs des 
Ersten. Form und Inhalt sind wie wir sie erwarten müssen: 
an dem Hofe Barbarossas hat Friedrich von Hausen gedichtet. 
Dem conventionellen romanischen Inhalte entspricht die roma 
nische Form, die daktylischen Zeilen, die aus dem zehnsilbigen 
Verse der Troubadours hervorgegangen sind. Sie haben vier 
Hebungen, nur die letzte Zeile der Strophe ist um eine Hebung 
verlängert. Der Bau dreitheilig ababccc, die Reime bereits 
genau. Hierin zeigt sich Einfluss Heinrichs von Veldeke, 
dessen Wirkung auf süddeutsche Poesie Müllenhoff (Zs. 14, 
142) mit Recht von seiner Anwesenheit bei Heinrichs Schwert 
leite zu Mainz 1184 datirt. 
Mehr als dieses Gedicht aber besitzen wir nicht von 
Heinrich. 
Denn ganz anderen Charakter tragen die übrigen Strophen, 
welche die Ueberlieferung ihm zuschreibt. Das Liederbuch 
unter der Ueberschrift Keiser Heinrich, das die grosse illustrirte 
1 Müllenhoff, dem ich die Hauptpunkte der obigen Argumentation mit 
theilte, schreibt: ,Was mich namentlich bestimmt, mich Ihnen anzu- 
schliessen, ist nicht so sein* der bestimmte Artikel der kröne (s. Haupt 
S. 227 darüber), als die dritte Zeile der letzten Strophe, die mir immer 
eine crux und eigentlich gänzlich unverständlich gewesen ist bei der 
Haupt’schen Ansicht. Bei Ihrer Ansicht ist sie ganz klar und einfach/ 
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXVII. Bd. III. Hft. 29
	        
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